Kultur

Zauberformeln der Kunst

Auch Alte Meister machen gerne einmal einen Ausflug nach Krems. Kürzlich haben etwa ein Hans von Aachen, ein Paolo Veronese und zwei Tizians ihre Heimstatt im Kunsthistorischen Museum Wien (KHM) verlassen, um etwas zu tun, das ihnen das Zeitgenossen-Programm des Museums nicht gestattet: In der Kunsthalle Krems hängen sie Seite an Seite mit aktueller Kunst. Und siehe da – es gibt Ähnlichkeiten, rote Fäden, Kontinuitäten.

„Große Gefühle“ – so der Titel der Schau (bis 30.6.) – ist mehr als eine Klassenfahrt: Dem Kuratorenteam Hans-Peter Wipplinger und Brigitte Borchhardt-Birbaumer ging es darum, zu zeigen, wie Gefühle ins Bild kommen – und wie sich diese bildgewordenen Emotionen über Jahrhunderte hinweg ähneln.
Es ist also eine kulturhistorische Schau, die den Betrachter – hier ist der theatralische Titel irreführend – eher beim Intellekt als beim Bauchgefühl packt: „Liebe“, „Trauer“, „Schock“ heißen einige der Überthemen, zu denen das Kuratorenteam teils erhellende Bildkonstellationen anbietet.

Impressionen der Ausstellung

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Formelhaft

Impulsgeber für die Zusammenschau war dabei der Kunsthistoriker Aby Warburg. In den 1920er-Jahren hatte er mit großen Pinnwänden einen zeitübergreifenden Bildatlas geschaffen und für eindeutig als Gefühlsausdruck kodierte Gesten oder Haltungen den Begriff „Pathosformel“ geprägt.
In Krems begegnen solche Formeln etwa im melancholischen Gesicht einer Maria Magdalena aus dem KHM oder im erschlafften Körper eines selbstmörderischen Eichhörnchens. Sie zeigen sich im eitlen Blick eines porträtierten Herrschers aus dem 17. Jahrhundert, der in einem Werk des Afrikaners Yinka Shonibare (1997) von einem Schwarzen mit Perücke nachgeäfft wird. Doch auch Landschaften können Codes für Gefühle – etwa Sehnsucht – sein.

Die Zusammenstellung ist dabei wichtiger als die Aura einzelner Werke – wobei das Niveau der Ausstellung klar auf den KHM-Leihgaben ruht. Die zeitgenössischen Werke stammen alle aus einer italienischen Privatsammlung, kaum eines ist vor 1990 entstanden. Das Schweigen über diese doch sehr subjektive Auswahl ist ein Schwachpunkt – der enzyklopädische Anspruch, den die Kunsthalle mit dem Untertitel „Von der Antike bis zur Gegenwart“ vermittelt, ist ganz klar überzogen.