Kultur

Giorgio Moroder: "Meine Träume haben funktioniert"

Keine Spur von Lampenfieber beim späten Debütanten: Giorgio Moroder ist mit 78 Jahren erstmals auf Tournee. Der Disco-Pionier und Vater der elektronischen Tanzmusik singt zum Show-Auftakt im Berliner Tempodrom den Bubblegum-Pop-Oldie „Looky Looky“ von 1969 und zelebriert mit Band und SängerInnen seine Welthits. Auch im Gasometer in Wien am 14. Mai. Da erklingen u. a. „Take My Breath Away“ aus dem Film „Top Gun“ und in einer Zuspielung mit David Bowie „Cat People“ zum Flashback für die Ohren ins Vorgestern: Lost in Disco-Music. Auf den Bühnenhintergrund projiziert: Wuschelkopffrisur, Sonnenbrille und Schnauzbart. Sie prägten das Image des Hollywood-Komponisten und Produzenten: Der Musikgeschichte geschrieben und mit Stars wie Freddie Mercury, Barbra Streisand und Elton John gearbeitet hat.

Der auf House, Techno und Electronic Dance Music bleibenden Einfluss hatte.Und der für seine Filmmusik zu „Midnight Express“, „Flashdance“ und „Top Gun“ mit drei Oscars ausgezeichnet wurde.

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KURIER: Erstaunlich: Sie lieben Tanzmusik, aber tanzen selber nicht. Sie haben Anfang der 70er-Jahre den Disco-Sound mit dem erstmaligen Einsatz von Synthesizern erfunden, aber kaum je eine Diskothek von innen gesehen. Sind Sie ein Partymuffel?
Giorgio Moroder:
Ja, vielleicht mache ich gerade deshalb gute Club-Musik, weil ich nicht in Clubs gehe. Als ich 1978 nach Amerika zog, war ich einmal im „Studio 54“ in New York. Aber ehrlich gesagt: Ich war nie ein Mann für die Disco. Und der Dance Music ist es egal, ob du 28 oder 78 bist.

Altern ist kein Thema für Sie?
Nein. Im Studio habe ich mit viel jüngeren Sängerinnen gearbeitet. Da gab es keine Kommunikationsprobleme. Ich fühle mich selbst viel jünger. Nur hin und wieder habe ich Rückenschmerzen.

Und wie fühlen Sie sich als DJ?
Großartig. Am Dancefloor tanzen junge Menschen, die noch gar nicht geboren waren, als meine Hits wie „I Feel Love“ oder „Call Me“ in den Charts waren. Aber sie singen jede Zeile mit und jubeln. Ein tolles Gefühl.

Für Donna Summer produzierten Sie zwei Stücke, die Pop- und Tanzmusik für immer verändert haben: 1975 „Love To Love You Baby“ und 1977 „I Feel Love“.
In meiner Erinnerung ist „I Feel Love“ immer das erste elektronische Lied. Ich wollte ein Lied, das mit konventionellen Sounds nichts zu tun hat. Der Bass, die Hi-Hat, die Snare – alles ist elektronisch. Außer der Bassdrum. Die Idee war: ein Lied, das die Zukunft einleiten kann. Deshalb habe ich die meisten Instrumente durch Synthesizer ersetzt. Das war damals sehr neu. Das hat vorher niemand so gemacht und so gehört. Und meine Träume haben irgendwie funktioniert.

 

 

Brian Eno sagte, als er „I Feel Love“ gehört hatte, zu David Bowie: „Ich habe den Sound der Zukunft gehört!“ Aber Sie hatten mit Donna Summer schon davor in Anlehnung an „Je t’aime“ von Serge Gainsbourgh und Jane Birkin mit „Love To Love You“ Erfolg?
Ja. Das hat natürlich die Türen geöffnet in der Welt. Donna war zuerst gehemmt. Darauf habe ich alle im Studio rausgeschickt und das Licht ausgemacht. Bei der langen 17-Minuten-Version musste sie dann noch ein bisschen länger ins Mikro stöhnen.

Auf Anhieb Erfolg hatten Sie später auch, als gleich Ihre allererste Filmmusik mit einem Oscar belohnt wurde?
Ich hatte viel Glück. Alan Parker, Regisseur des Thrillers „Midnight Express“, wollte für eine bestimmte Szene etwas mit dem Feeling, der Dramatik von „I Feel Love“. Etwas Galoppierendes: dada dada dada. Da lieferte ich ihm „The Chase“. Beim Rest des Soundtracks durfte ich machen, was ich wollte.

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Wie kamen Sie überhaupt zur Musik?
Ich bin in St. Ulrich aufgewachsen, einem Dorf in den Dolomiten. Da gab es nicht viel außer Bergen und Natur. Und ich hörte immer „Diana“ von meinem Idol Paul Anka im Radio. Das hat wohl etwas in mir ausgelöst. Da wollte dann ich immer nur weg und als Musiker und Komponist das machen, was man, als ich jung war, auf Radio Luxemburg hören konnte. Weltweit erfolgreiche Popmusik zum Tanzen.

Sie haben angeblich ein Faible für schnelle Autos und sogar einen Supersportwagen mitentwickelt?
Ja. Wir waren 1988 mit 16 Zylindern und 540 PS noch vor Bugatti da. Acht Stück wurden verkauft. Und ich habe bei mir zu Hause in Los Angeles den Prototyp des Cizeta-Moroder. Ein wunderbares Auto, für das ich jetzt auch die Genehmigung habe, es in den USA zu fahren.

Sie haben dann in Ihrer Villa in Beverly Hills Kreuzworträtsel gelöst und Golf gespielt, bis Sie das Duo Daft Punk 2013 aus dem Ruhestand nach Paris ins Studio geholt hat.
Ja. Ich sollte einfach vor dem Mikro mein Leben erzählen, was mich irritierte. Ich wusste nicht, was sie von mir wollten. Letztlich landete mein Monolog „Giorgio by Moroder“ auf ihrem mit einem Grammy prämierten Album „Random Access Memories“. Damit war ich plötzlich im Gespräch und bekam Lust, wieder selbst Musik zu machen.

Ihr Comeback-Album heißt „Déjà Vu“ (2015) und hört sich auch ein bisschen so an.
Nur wollte ich unbedingt mit jüngeren Leuten arbeiten, die heute in sind, wie Britney Spears, Charli XCX, Kylie Minogue, Kelis, Mikky Ekko, Foxes, Matthew Koma und mit der großartigen Sia. Ich kann mich nicht beklagen. Wenn ich eine Arbeit kriege, die mir gefällt, mache ich sie, aber sonst nicht.

Und was ist eigentlich das Beste daran, Giorgio Moroder zu sein?
Ich habe gehört, er ist sehr nett. Ich mag ihn.

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Zur Person: Giorgio Moroder hat den Sound der 70er- und 80er-Jahre geprägt.  In seinem „Musicland“-Studio in München arbeitete der gebürtige Südtiroler erstmals mit Synthesizern und Sequencern, verband Black Music der Soul-Hitfabrik Motown mit Elektronik und  kreierte einen energetischen Disco-Sound mit Basslinien und Arpeggien als Düsentrieb. Heute lässt sich kaum noch nachvollziehen, wie revolutionär und futuristisch blubbernde Synthesizer und Vocoder vor fast 50 Jahren gewirkt haben. Jetzt ist der 78-Jährige erstmals live auf Tour: „The Celebration of the 80s“  ist eine Werkschau und Hitparade, u. a. mit „Mid- night Express“, „Neverending story“, „Flashdance“, „Danger Zone“ bis zu „Love To Love You Baby“ von Donna Summer und „Call Me“ von Blondie.

Giorgio Moroder live: 14. Mai (20 Uhr) Gasometer in Wien, 11., Guglgasse 8; Tickets ab 39 €; redbull.com/moroder oder www.oetticket.com 0900 9496096