Kultur

„Gigantisch, irre“: Opernstar DiDonato über die Premiere „Les Troyens“

Wenn die Wiener Staatsoper am heutigen Sonntag ihre erste Saisonpremiere feiert, müssen alle, wirklich alle Kräfte gebündelt werden. Denn mit Hector Berlioz’ „Les Troyens“ hält eines der (zumindest von den Dimensionen her) größten Werke der Operngeschichte nach fast 40 Jahren wieder Einzug in das Haus am Ring.

Ein 85-Mann-Orchester, an die 100 Choristen, ein Kinderchor, unzählige Gesangsrollen sind notwendig, um den Untergang Trojas sowie die unglückliche Liebe der karthagischen Königin Dido zum Feldherrn Aeneas zu schildern. Ein etwa fünfstündiges Mammutprojekt, das selbst von den international bedeutendsten Opernhäusern nur im Intervall einiger Jahrzehnte realisiert wird.

Drama

„Ja, es ist gigantisch, es ist irre, es ist ein Drama, wie man es sonst kaum findet“, sagt auch Joyce DiDonato.

Und die amerikanische Mezzosopranistin weiß, wovon sie spricht. Immerhin hat DiDonato die Rolle der Dido bereits auf (einem mehrfach prämierten) Tonträger interpretiert. In Wien wird sie die Tragik der Dido nun in der Inszenierung von David McVicar auch szenisch gestalten.

„Schon während der CD-Aufnahmen mit Dirigent John Nelson wusste ich: Das möchte ich unbedingt auch auf der Bühne machen. Und David McVicar wie auch unser Dirigent Alain Altinoglu sind Menschen, denen ich absolut vertraue, bei den ich mich sicher und geborgen fühle“, so der Weltstar, der bis dato erst zwei Mal (eine Rosina im Rossinis „Barbiere“ und ein Solistenkonzert) im Haus am Ring zu erleben war.

„Mich interessiert an der Königin Dido diese unglaubliche Emotionalität, die ich dank David McVicar und Alain Altinoglu so großartig hervorbringen kann.“ Gesanglich sei die Partie hingegen „zwar keine kleine, aber auch gar keine so extre, massive Herausforderung“, sagt DiDonato. Denn: „Bei den Männerstimmen war Berlioz bei weitem nicht so gnädig wie bei uns Frauen.“

Starke Frau

Doch wer ist diese Dido nun eigentlich? „Sie ist eine unheimlich starke Frau, die von ihrem Volk ehrlich geliebt wird. Nur wenn man diese Liebe versteht, kann man auch begreifen, dass das Volk bereit ist, für sie zu sterben. Und nur wenn man versteht, wie sehr Dido sich hinauswagt in ihrer Liebe zu Aeneas, kann man begreifen, dass sie nach seiner Abreise, die sie als Betrug, als Verrat wertet, auf die dunkle Seite wechselt. Da beschwört sie mit aller Macht die Götter der Unterwelt und geht zugrunde.“

Nachsatz: „ Das ist herzzerreißend. „Ich muss selbst fast weinen, wenn ich nur darüber spreche. Und ich denke, auch das Publikum wird weinen Ja, das Publikum soll im Idealfall sogar weinen.“

DiDonato weiter: „Was ich an den ,Troyens’ noch wichtig finde , ist die Aktualität des Stoffes. Themen wie Krieg und Flucht sind leider von zeitloser Gültigkeit, heute aber ganz besonders. Wir leben in einer Welt, die wirklich an der Kippe steht, die sich zum Guten wie zum Bösen wenden kann. Und da hat die Kunst die Möglichkeit, die Menschen hellhörig zu machen, zu sensibilisieren. Wir wollen ja alle nicht wie Dido enden, die sich letztlich ganz der Unterwelt und damit dem Untergang verschreibt.“

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Der Dirigent ergänzt: "Aber es ist genial"

Als „einfach irre“ bezeichnet Joyce DiDonato die „Troyens“ von Berlioz. Ein Urteil, dem sich Dirigent Alain Altinoglu anschließen kann. „Es ist verrückt, aber es ist genial“, sagt der französische Dirigent im KURIER-Gespräch. Und: „Ich liebe diese Verrücktheit von Berlioz.“

Denn, so der Chefdirigent des Brüsseler Opernhauses La Monnaie: „Diese Verrücktheit, diese herrliche Anmaßung, der Berlioz in seinem Leben frönte, spiegelt sich auch in seiner Musik wider. Nur ist diese genial. Aber ich gebe zu, es ist auch ein episches Stück mit seinen fünf Stunden Spieldauer.“

Wird der Dirigent daher auf Striche setzen? „Nein, wir haben nichts gestrichen, nur minimal bei den Ballettszenen. Das stand übrigens auch nie zur Diskussion. Denn wie oft im Leben hat man schon die Möglichkeit, dieses Werk szenisch aufzuführen und zu hören? Da muss man es ja geradezu ohne einen einzigen Strich machen“, lacht Altinoglu. Und: „Glauben Sie mir, es lohnt sich, sich darauf einzulassen. Wir haben es hier mit einem echten Diamanten zu tun.“

Es war „für das Orchester und mich eine wirkliche Entdeckungsreise, Schwerstarbeit. Wir mussten viel proben, uns an den Berlioz-Stil herantasten. Wenn man so will, ist diese Oper das französische, noch mehr ausufernde Pendant zu Richard Wagners ,Götterdämmerung’. Der Aufwand ist gigantisch. Aber man wird letztlich so sehr belohnt.“ Und: „Für mich hat diese Produktion den Vorteil, einmal länger in Wien sein zu können. Ich liebe diese Stadt ja sehr.“

Info zur Premiere

„Les Troyens“ von Hector Berlioz. Dirigent: Alain Altinoglu, Regie: David McVicar, Bühne: Es Devlin. Mit Brandon Jovanovich, Adam Plachetka, Peter Kellner, Jongmin Park, Joyce DiDonato, Anna Caterina Antonacci. Premiere am heutigen Sonntag um 16.30 Uhr. Weitere Vorstellungen am 17., 21., 26. Oktober, 1. und 4. November