Zyankali statt Potenzmittel
Von Georg Markus
Zum ersten Mal wurde ich auf den Fall Hofrichter durch Paul Hörbiger aufmerksam, als ich 1979 seine Memoiren schrieb. Der Volksschauspieler erzählte mir, dass er und sein Bruder Attila im Ersten Weltkrieg als junge Rekruten in der Militärstrafanstalt Möllersdorf den berüchtigten Giftmörder Adolf Hofrichter zu bewachen hatten.
Jenen k. u. k. Oberleutnant, der durch einen Aufsehen erregenden Kriminalfall die Gemüter bewegte: 1909 waren 12 Generalstabsoffizieren per Post Kuverts mit „ Potenzmitteln“ zugesandt worden, die laut Begleitschreiben „unmittelbar vor Verkehr“ einzunehmen wären.
Der Hauptmann des Generalstabs Richard Mader erwartete an diesem Abend in seiner Wohnung in Wien-Landstraße Damenbesuch. Gegen 18 Uhr nahm er die ihm zugeschickten Kapseln ein, kurz danach brach er tot zusammen.
Laut Obduktionsbefund war er an einer Zyankalivergiftung gestorben. In den folgenden Tagen meldeten sich elf Generalstäbler, denen Pakete mit identischem Inhalt zugestellt worden waren. Auch die bei ihnen eingelangten Kuverts enthielten eine tödliche Dosis Zyankali. Doch keiner außer Mader hatte zu den getarnten Giftpillen gegriffen. Bald war klar, dass alle zwölf Empfänger der Pillen Absolventen des Kriegsschuljahrgangs 1905 waren.
Der erste Verdacht
Dieser Umstand ließ die ermittelnden Militärs vermuten, dass der Täter in den eigenen Reihen zu suchen war. Man nahm an, dass ein Kriegsschulkamerad, der es nicht in den Generalstab geschafft hatte, der Täter sein könnte. Mit dem Ziel, durch Beseitigen der vor ihm gereihten Kandidaten doch noch in den Kreis der Elite aufrücken zu können.
Es dauerte nicht lange, bis man auf Oberleutnant Hofrichter stieß, der dem Generalstab bereits angehört hatte, aber aufgrund mangelnder Leistungen zur Truppe zurückversetzt worden war. Der Verdacht fiel auf ihn, da alle Männer, die die Giftsendungen erhalten hatten, vor ihm gereiht waren. Wären fünf der mit Zyankalisendungen versehenen Offiziere gestorben, hätte er eine Chance zur Rückkehr in den Generalstab gehabt.
Hofrichter legte zunächst ein Geständnis ab, in dem er die Schmach schilderte, die seine Enthebung aus dem Generalstab in ihm ausgelöst hatte. Und er erzählte, wie der Gedanke gereift sei, die ihm vorgezogenen Kameraden aus dem Weg zu räumen. Später widerrief er alles, was er zugegeben hatte. Doch die Indizien reichten zur Verurteilung zu einer Kerkerstrafe von 20 Jahren.
Vorzeitig entlassen
Paul und Attila Hörbiger bewachten ihn ab Juli 1914. „Er hat uns immer wieder gefragt, wie es um den Krieg steht und zeigte sich am Weltgeschehen interessiert. Doch wir hatten die strikte Anweisung, dem Gefangenen keine Antworten zu geben.“
Hofrichter kam schon 1920 frei, nahm den Namen Adolf Richter an, heiratete und arbeitete als Kanzleikraft. Er starb 1945 und wurde am Zentralfriedhof beerdigt. Die Pflege des Grabes wird heute noch von anonymer Seite bezahlt. Nachkommen oder Verwandte gibt es nicht.