Chronik/Geschichten mit Geschichte

Ein unerwarteter Anruf: "Hier spricht Paul Hörbiger"

Es muss in den frühen Sommertagen des Jahres 1978 gewesen sein, da läutete bei mir zu Hause das Telefon. Ich glaubte meinen Ohren nicht trauen zu können, als sich eine markante Stimme mit den Worten „Hier spricht Paul Hörbiger“ meldete. Wäre der Anruf des Publikumslieblings bei einem damals noch jungen Reporter nicht schon außergewöhnlich genug gewesen, so folgte die eigentliche Überraschung erst, als er mich fragte, ob ich seine Memoiren schreiben wolle. Heute, mehr als 40 Jahre später, strahlt ORF III ein neu gedrehtes Porträt des Volksschauspielers aus.

Längst eine Legende

Paul Hörbiger. Er war damals 84 Jahre alt und selbstverständlich längst eine Legende. Und er war der letzte Star einer untergegangenen Filmepoche. Dass er mich als „Ghostwriter“ seiner Erinnerungen auserwählte, lag wohl daran, dass ich kurz davor ein Interview mit ihm geführt und mir damit sein Vertrauen erworben hatte.

Ein Jahr lang erzählte er mir aus seinem aufregenden Leben, meist in seinem schlichten Siedlungshaus in Wieselburg. Angefangen von einem Mordanschlag, den ein eifersüchtiger Schauspielkollege auf ihn verübt hatte, über Dreharbeiten mit Hans Moser, über seinen Bruder Attila und seine Schwägerin Paula Wessely, seine Tätigkeit im NS-Widerstand bis zu zwei Festnahmen durch die Gestapo in Prag und in Wien und seine Haftzeit in einer Zelle des Wiener Landesgerichts.

Als das Buch fertig war, fuhren wir gemeinsam für eine ORF-Sendung zu seinen Theaterstationen in Berlin, Wien, Reichenberg und Prag.

Im Prager Restaurant „Opera Grill“ hatten wir nach Drehschluss, beim Abendessen, ein berührendes Erlebnis. Wie so oft, wenn der große alte Mann mit dem schlohweißen Haar ein Lokal betrat, applaudierten die Gäste – Tschechen wie Touristen – spontan. Der Pianist des Lokals unterbrach seine Musik, spielte eine andere Melodie und Paul Hörbiger rannen plötzlich dicke Tränen über beide Wangen. Als das Lied verklungen war, standen Hörbiger und der Pianist auf und umarmten einander.

Weinend in den Armen

Was war geschehen? Der Musiker Arnos Vrana hatte das populäre tschechische Lied „Pisnička Česka“ intoniert, das 1940 Anlass für Hörbigers erste Verhaftung durch die Gestapo in Prag gewesen war. Das Lied war von den Nazis verboten worden, weil es vom jüdischen Komponisten Karel Hašler stammte, mit dem Hörbiger befreundet war. Inzwischen wusste Hörbiger, dass Hašler in einem KZ hingerichtet worden war.

1979, fast 40 Jahre später, spielte derselbe Pianist, als er Hörbiger erkannte, dieses Lied noch einmal. Und beide lagen einander weinend in den Armen.georg.markus

TV Tipp „Legenden, Paul Hörbiger“: Fernsehporträt von Günter Kaindlstorfer aus Anlass des 125. Geburtstags des Schauspielers: Heute, Samstag, 20. April, 20.15 Uhr, ORF III.