Die Briefe der Prominenz: Adabeis geheime Schatzkiste
Von Georg Markus
Lieber Roman! Ich hab’s geschafft!“ Die gerade 24-jährige Senta Berger schickt dem legendären „Adabei“ der Kronen Zeitung eine Ansichtskarte aus Los Angeles, in der sie ihm euphorisch mitteilt, dass sie ihre erste große Rolle in Hollywood – „ich spiele die Geliebte von Charlton Heston“ – bekommen hat. Am nächsten Tag steht die Story über die Karriere der Wienerin groß im Kleinformat. Exklusiv, versteht sich, denn über solche Informationen verfügte jahrzehntelang nur einer: Roman Schliesser.
Die Karte aus Hollywood stammt aus dem Jahr 1965 und befindet sich im Nachlass von Roman Schliesser, der die Gesellschaftsberichterstattung als Österreichs „Adabei“ mehr als 40 Jahre lang beherrschte. Es sind weit mehr als 100 Briefe und Karten, die der Society-Reporter von Stars und Starlets erhalten und archiviert hat und über deren Existenz bisher nur seine Witwe bescheid wusste. Nun hat mir Gabriele „Bonni“ Schliesser die geheimen Schätze aus der Korrespondenz ihres Mannes zum Abdruck im KURIER zur Verfügung gestellt.
Die Namen der Stars, die „Adabei“ mit schriftlichen Informationen versorgten, sind vielfach Geschichte. Oskar Werner ist dabei, Curd Jürgens und Peter Alexander, Udo Jürgens, Hildegard Knef und Marisa Mell.
Auch Falco meldet sich zu Wort. In einem Brief geht’s um die Erkenntnis des „Falken“, dass seine geliebte Tochter Katharina laut Vaterschaftstest einen anderen Erzeuger hat. Roman Schliesser beweist, dass er bei aller Sensationslust, die sein Beruf erfordert, diskret sein kann. „Keine Gelegenheit erschien mir günstiger als diese“, schreibt Hansi Hölzel alias Falco, „mich für die gentlemenhaftige Behandlung meines Scheidungsthemas bei Dir zu bedanken…“
Watschen von Curd
Die Beziehung zu Curd Jürgens ist hingegen mitunter getrübt. Als Schliesser einmal über eine „Watschenaffäre“ des Weltstars berichtet, stellt der für drei Jahre jeden Kontakt ein. Danach ist man wieder best friends, wie einer – bekannten – Widmung an den Reporter zu entnehmen ist: „Für Roman, dem fairen Kommentator vieler Ereignisse, mit Dank für Alles, was er wusste und NICHT geschrieben hat. Curd.“
Peter Alexander
Wenn „Adabei“ Geburtstag feiert, ist das nicht viel anders, als bei den Partys seiner prominenten „Kundschaft“. Zum 60er von Roman Schliesser verfasst Peter Alexander im Mai 1991 handschriftlich ein ganzseitiges Gedicht, das mit den Zeilen endet:
Ein Herz wie ein Bergwerk,
Du schreibst ganze Bände,
in nur sechs Jahrzehnten
wurdest Du zur Legende.
Wir schätzen Dich alle
und lieben Dich sehr.
Hoch soll er leben...
und das immer mehr!
„Adabei“ berichtet nicht nur aus der Showbranche, in seinem Nachlass befindet sich auch ein Brief Bruno Kreiskys, der Karl Kraus zitiert, und die Korrespondenz zu einem – allerdings unangenehmen – Vorfall um Hannes Androsch. Der damalige Finanzminister und Vizekanzler hat 1979 auf die Frage eines Journalisten, ob er Millionär sei, geantwortet: „Leider nein!“ Worauf Roman Schliesser bei Wiens Prominentenschneider Kniže recherchiert, dass der Vizekanzler über 118 Anzüge zu je 15.000 Schilling verfügen würde. Macht 1,8 Millionen Schilling – ein Millionär also allein in Kleidungstücken.
Kniže schickt jedoch umgehend eine Erwiderung, in der „dringendst“ mitgeteilt wird, dass die angegebenen Zahlen „in keiner Weise stimmen“. „Adabei“ hat das Schreiben auf noblem Kniže-Briefpapier ebenso aufgehoben wie die Korrespondenz all der Publikumslieblinge.
Romys Großmama
Noch eine Beschwerde ist in den zahllosen Briefen zu finden. Romy Schneiders Großmutter, die Schauspielerin Rosa Albach-Retty, schreibt am 12. November 1979, dass Herrn „Adabeis“ Meldung, sie würde das Künstlerheim in Baden bei Wien verlassen, um wieder in ihre Wohnung zu ziehen, „jeder Grundlage entbehrt“. Wär auch ein kleines Wunder gewesen. Die Briefschreiberin stand wenige Tage vor ihrem 105. Geburtstag.
Oskar Werner
Natürlich wurde mit einer Meldung bei „Adabei“ Politik gemacht – oft auch Geschäftspolitik. Oskar Werner muss sich im Frühjahr 1978 mit Ernst Haeusserman, dem Direktor des Theaters in der Josefstadt, zerstritten haben, da der Plan, Goethes „Faust“ zu inszenieren, abgesagt wurde. Die Kopie des folgenden Schreibens schickte Oskar Werner sicherheitshalber an Roman Schliesser, damit alle Welt davon erfährt: „Sehr geehrter Herr Direktor Haeusserman, für meine bisher geleistete Arbeit am Faust-Projekt beanspruche ich ein Drittel meiner vereinbarten Gage, also öS 166.666,66.“
Schliesser bewahrte auch die – abschlägige – Antwort des Theateranwalts auf.
Hildegard Knef
Dass „seine“ Promis auch außerhalb der Grenzen Österreichs zu Hause und dass die Freundschaftsbekundungen echt sind, bezeugen die Zeilen Hildegard Knefs, die sich nach einer überstandenen Operation bei Roman Schliesser „für Deinen lieben Anruf bedankt … Wir rauchen nicht mehr, was bestimmt ungesund ist… Wir vermissen Dich. Wann kommst Du wieder nach Bayern? Sei herzlich umarmt von Deiner Hilde.“
Udo Jürgens
Zu den Geheimnissen der engen Promi-Kontakte Roman Schliessers zählte wohl, dass er nicht erst Freund wurde, als die p. t. Künstler berühmt waren, sondern oft schon, als sie noch in Bars und Kellerlokalen auftraten. So findet sich in der großen Kiste, in der Gabriele Schliesser „Adabeis“ Korrespondenz aufbewahrt, eine Karte von Udo Jürgens aus dem Jahr 1964, also zwei Jahre bevor er mit „Merci Chérie“ den Durchbruch schaffte: „Melde mich aus Paris, mein ,Warum nur, warum‘, ist hier ein Spitzen Hit. So etwas gab es hier noch nicht in deutscher Sprache.“ Noch muss Udo dem österreichischen „Adabei“ seine Erfolge „verkaufen“, dafür sollte er diesem später nie vergessen, dass er schon über ihn berichtete, als noch kein Hahn nach ihm krähte.
„Marcello“ Prawy
Zu Vielschreibern, die „Adabei“ regelmäßig mit Briefen eindeckten, zählten Alfred und Maxi Böhm, Fritz Eckhardt, Fritz Muliar, das Maler-Ehepaar Lotte Profohs-Maître Leherb sowie Operetten-Altmeister Robert Stolz, der sich für jeden einzelnen Schliesser-Artikel stets als „Dein getreuer Freund Robert“ bedankte.
Mehr Post als von allen anderen erhielt „Adabei“ freilich von Marcel Prawy, der ihn von seinen sämtlichen Fernsehdrehs und Opernreisen mit meist heiteren Neuigkeiten versorgte (und diese dann gern in der Zeitung las). Bevorzugt informiert Prawy über seine „oft diskutierten Nylonsackerln, von denen ich bis zu 20 an einem Tage mit mir führe“. Einmal beschreibt er, wie ihn Otto Schenk an einer Tankstelle in Italien rettungslos allein stehen ließ, nur um ihn zu ärgern.
Im November 1986 teilt Prawy dem „liebsten Romanchen“ mit, dass ihm bei der Generalprobe zur Oper WERTHER an der Wiener Staatsoper ein Mann aus dem Publikum darauf aufmerksam machte, dass ihm, Prawy, die Hosennaht geplatzt sei und er beinahe so aufgetreten wäre. „Dann hätte man meinen Aller-WERTHER-sten gesehen“, ist Prawy zu Scherzen aufgelegt. Der Brief endet wie so viele von ihm mit den hoffnungsfrohen Worten: „Vielleicht findest Du etwas – Dein Marcello“.
Falcos Tod
Doch aus „Adabeis“ Korrespondenz lässt sich auch Tragisches herauslesen. Falco schickt Freund Schliesser am 7. Dezember 1995 aus Puerto Plata in der Dominikanischen Republik den Reim:
Des Falken subtiler Überschmäh
endet irgendwann endgültig in Übersee!
Falcos Überschmäh endete tatsächlich genau hier, etwas mehr als zwei Jahre später, am 6. Februar 1998, in Puerto Plata, als er mit seinem Geländewagen gegen einen Bus raste.
Nach seinem Rückzug aus der Kronen Zeitung wechselte Schliesser zum KURIER, für dessen freizeit-Magazin er über seine Begegnungen mit der Prominenz berichtete.
Als er im Oktober 2015 starb, stand im Nachruf des KURIER: „Roman Schliesser war mehr als ein Berichterstatter. Er hat so lange über die High Society geschrieben, bis er selbst ein Teil von ihr war.“
Die nun aufgefundenen Briefe legen einmal mehr Zeugnis davon ab.
Vom Arbeitersohn zum König des Societylebens
DerJet-Set-Trubel war Roman Schliesser nicht in die Wiege gelegt worden. Er kam am 7. Juni 1931 in Wien-Floridsdorf als Sohn eines Hilfsarbeiters zur Welt, lebte in Ostberlin und kurz in den USA, ehe er nach Wien zurückkehrte, um in der Boulevardzeitung Express zunächst Polizeireporter und dann Chef des Lokalressorts zu werden. Er fand rasch Zugang zu Künstlern und gründete, noch als Express Reporter, die „Adabei“-Kolumne. 1966 wechselte er mit dieser Marke zur KronenZeitung.
„Adabei“-Dissertation
Laut einer 1988 an der Hochschule für angewandte Kunst eingereichten Dissertation über „Adabei“ waren in dieser Zeit die meistgenannten Prominenten seiner Kolumne: Franz Antel, Curd und Udo Jürgens, Bruno Kreisky, Helmut Zilk und Herbert von Karajan. Nach seinem Rückzug aus der Krone im Jahr 2006 holte ihn der langjährige freizeit-Chefredakteur Michael Horowitz 2011 zum KURIER, wo er über sein „aufregendes Leben in der High Society“ schrieb. Roman Schliesser war mehr als 60 Jahre lang Reporter, ehe er mit 80 in Pension ging.
Späte Heirat
2011 heiratete er seine Jugendliebe Gabriele. Roman Schliesser starb am 7. Oktober 2015 im Alter von 84 Jahren in Wien.