Der dramatische Tod des Schriftstellers Joseph Roth
Von Georg Markus
"Radetzkymarsch" ist nicht nur die musikalische, sondern auch die literarische Verkörperung des alten Österreich. Joseph Roth hat 1932 einen Roman verfasst, dessen Dramatisierung ab 16. Mai im Wiener Theater in der Josefstadt zu sehen ist: Der Zerfall der K. u. k.-Zeit anhand dreier Generationen der Familie Trotta.
Joseph Roth, 1894 in einem jüdischen Schtetl bei Lemberg geboren, ist am Zusammenbruch des Kaiserreichs verzweifelt. Sein Leben lang auf der Suche nach seinem Vater, den er nie kennengelernt hat, sah er ihn im alten Kaiser personifiziert, den er im "Radetzkymarsch" als Garant für Stabilität und Sicherheit zu erkennen glaubt. "Sobald unser Kaiser die Augen schließt, zerfallen wir in hundert Stücke."
In Ottos Auftrag
Später schenkte Roth sein Vertrauen Otto von Habsburg, den er im Pariser Exil kennenlernte. Am 24. Februar 1938 reiste Roth in Habsburgs Auftrag nach Wien, um Bundeskanzler Schuschnigg zur Abdankung zugunsten des ehemaligen Thronfolgers zu bewegen. Der Dichter wurde jedoch nicht empfangen und kehrte unverrichteter Dinge nach Paris zurück.
Roth war mit der Wienerin Friederike Reichler verheiratet, die er 1919 im Café Herrenhof kennengelernt hatte. Nach kurzer Ehe wurden bei ihr Symptome einer Geisteskrankheit erkennbar, die zahlreiche Aufenthalte in Nervenanstalten zur Folge hatten. Joseph Roth gab sich immer mehr dem Alkohol hin, der schließlich zu seiner vollkommenen Zerstörung führte. Seine Frau wurde 1940 Opfer des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms.
Ihren Tod hat Roth nicht mehr erlebt. Er reiste seit der Machtergreifung Hitlers im Jänner 1933 ruhelos durch Europa, wobei sich sein Gesundheitszustand zusehends verschlechterte. Im Frühjahr 1939 kam es zum völligen Versagen von Nieren und Leber, da er Unmengen des hochprozentigen Trinkbranntweins Absinth zu sich nahm. Sein Arzt sah keinen anderen Ausweg, als sich an Otto von Habsburg zu wenden, den Roth als seinen "Kaiser" verehrte: "Sie sind der Einzige, auf den er hört“, flehte der Arzt Habsburg an, „machen Sie etwas, damit Roth aufhört zu trinken, sonst wird er in wenigen Wochen tot sein."
Alkoholverbot
Otto, wie Roth in Paris lebend, ließ den Dichter zu sich kommen und teilte ihm in eindringlichen Worten mit: "Herr Roth, ich befehle Ihnen namens der Dynastie, mit dem Trinken aufzuhören!"
Der Schriftsteller ging in Habt-Acht-Stellung, verabschiedete sich von seinem "Kaiser" – und hat angeblich von diesem Tag an keinen Tropfen mehr getrunken.
Leider war es zu spät, er starb wenige Wochen später, am 27. Mai 1939, nicht ganz 45 Jahre alt, in einem Pariser Armenhospital.
Kurz davor hatte er noch seine letzte Novelle beendet, deren Titel lautete: "Die Legende vom heiligen Trinker".