Gesangskapelle Hermann: „Wir drücken unsere Haltung niemandem aufs Auge“
In die Uniform von Fleischhauern schlüpft die Gesangskapelle Hermann für ihren jüngsten Hit „Faschiert“. Darin lässt sie sich darüber aus, dass das Faschierte in Österreich einiges vom Rindvieh und viel von der Sau hat, und erklärt, dass übel Riechendes im Faschierten häufig kaschiert wird.
Es könnte, wenn man nicht genau aufpasst, tatsächlich lustiger Song über Fleischlaberl sein. Ist er aber nicht. Seit zehn Jahren kommentiert die A-cappella-Gruppe satirisch Kleinigkeiten des Alltags, die österreichische Mentalität und Politik. Und bei der dritten Strophe des Songs wird auch ganz klar, dass das Quintett mit „Faschiert“ auf Faschisten hinweist und den Rechtsruck aufs Korn nimmt.
Sickerwitz
„Viele verstehen das nicht, oder nicht gleich“, sagt Tenor Simon Gramberger im KURIER-Interview. „Aber klar, wenn man Themen eher mitdenkt und nicht explizit anspricht, wie wir das tun, ist das Risiko groß, dass die Botschaft nicht ankommt. Aber darum geht es uns auch nicht vorrangig. Es geht uns eher darum, dass ein Lied schön klingt und gute Vibes hat. Die Botschaft ist uns nicht immer das Wichtigste.“
Dieses subtile und humorvolle Einbauen von brisanten Themen, ergänzt Basssänger Joachim Rigler, habe auch den Vorteil, dass man damit eventuell mehr erreicht. „Wenn wir explizit linke Inhalte einbauen würden, würden wir vielleicht nur genau so ein Publikum ansprechen. Das wäre dann zu den Bekehrten predigen. Unsere Songs kann aber jeder anhören und unterhaltsam finden, wir drücken unsere Haltung niemandem aufs Auge. So erreichen wir ein breiteres Publikum, und es hat vielleicht mehr Wirkung, weil wir auch andere Leute als Gleichgesinnte erreichen.“
Gesang und mehr
„Faschiert“ ist mit Abstand das politischste Lied des fünften Gesangskapelle-Hermann-Albums „Sehr Sogar“. Die Truppe, die sich nach ihrem früheren Probelokal in der Hermanngasse in Wien benannt hat, hat dabei mehr als bisher Instrumente in den Vokal-Sound eingebaut. Das liegt daran, dass sich Gramberger für seine andere Band Erwin & Edwin vermehrt mit Produktion beschäftigt hat und die Gesangskappelle jetzt ein eigenes Tonstudio hat. „Sich in ein Studio einzumieten, ist teuer“, erklärt Joachim Rigler. „Deshalb haben wir früher bei den Proben alle Arrangements fertig ausgearbeitet und dann in einer Woche das ganze Album aufgenommen. Im eigenen Studio hatten wir Zeit, mit Instrumenten zu experimentieren, zu suchen, wo tut zum Beispiel Perkussion einem Song gut.“
Wichtig für die gerade laufende Österreich-Tournee der Gruppe: Die Sänger können alles selbst spielen und so auch live umsetzen. Gramberger ist ein hervorragender Schlagzeuger, Bernie Höchtel ein toller Pianist, und Rigler spielt Gitarre.
Auf neues Terrain wagt sich die Gesangskapelle in „Sehr Sogar“ auch thematisch. Zwar führen nach wie vor Aufhänger wie zum Beispiel die „extrem gute“ Käseplatte im Railjet zu Aktuellem wie der Mobilitätswende. Aber in Songs wie „Klanes Gfü“ und „Kumma ma eh“ darf es erstmals ganz ohne doppelten Boden um die Liebe gehen. „Früher hatten wir Berührungsängste mit diesem klassischen, oft kitschigen Thema“, sagt Gramberger. „Wir hätten uns nicht getraut, das unironisch zu kommentieren, weil wir dachten, dass das zu pathetisch ist. Mittlerweile haben wir diese Scheu abgelegt.“