Gefeierte "Walküre“ mit Kampe und Kaufmann in Müchen
Jonas Kaufmann empfängt jeden Opernbesucher persönlich, lädt ihn zu einer Tour durch die Bayrische Staatsoper, durch die Ballettsäle, durch den Orchestergraben – und am Ende hängt der geneigte Musikliebhaber angeschnallt neben einem Tenor in atemberaubender Höhe über dem Bühnenboden, singt Puccini und wird vom Publikum gefeiert.
Tatsächlich?
Zumindest in der Virtual Reality (VR) kann man das in München erleben, im Zuge eines Filmes, der für die Opernfestspiele, die immerhin bis ins Jahr 1875 zurückreichen, produziert wurde. In den Aufführungspausen können Besucher auf einem Opernstuhl im Königssaal Platz nehmen und mit VR-Brille das kurze Spektakel sehen, an spielfreien Tagen werden solche Sessel über die Stadt verteilt aufgestellt. Eine geniale Idee, um Oper für möglicherweise neues Publikum mit der heutigen Medienwelt zu verschmelzen.
Einzigartig
Was Oper traditionell leisten kann, war am Sonntag, als Mesut Özil gerade seinen Rückzug aus der Nationalmannschaft verkündete, im größten deutschen Nationaltheater zu erleben: Bei einer Aufführung von Wagners „Walküre“, die man zur Zeit nirgendwo anders auch nur annähernd auf diesem Niveau zu Gehör bekommen dürfte.
Münchens Generalmusikdirektor Kirill Petrenko, der den „Ring“ 2013 für Bayreuth erarbeitet hatte, brilliert mit dem Münchener Orchester mit einer höchst präzisen, fein strukturierten, sensiblen, dramaturgisch ausgefeilten, klangvollendeten Interpretation. Wolfgang Koch, der mit Petrenko ebenfalls in Bayreuth als Wotan zugange war und diese Partie nur mit diesem meisterhaften Dirigenten singt, ist ein Mensch von einem Göttervater, ein nobel phrasierender, zutiefst bewegender Sänger, der bei leichten Schwierigkeiten im wuchtigen Finale das einzig Richtige macht, nämlich sich noch mehr zurückzunehmen.
Triumphal
Anja Kampe ist eine ideale Sieglinde mit dem Potenzial einer Brünnhilde (hat sie ja auch bei den Salzburger Osterfestspielen schon gesungen), dieses aber nur selten ausspielend, sondern stets auf innige Gestaltung fokussiert. Nina Stemme ist diesfalls die echte Brünnhilde, kraftvoll in der Höhe, ausdrucksstark, bis sie in den Schlaf gebettet wird. Ain Anger ist ein Hunding zum Fürchten, Ekaterina Gubanova eine Fricka, der Wotan verständlicherweise verfallen ist. Zum Triumph wurde der Abend aber vor allem auch für Jonas Kaufmann, der als Siegmund in der kargen, in der Personenführung klugen Inszenierung von Andreas Kriegenburg um so viel besser agierte als zuletzt als Parsifal in München oder als Don Carlo in Paris. Kaufmanns „Winterstürme“ sind ein Ereignis, seine „Wälse“-Rufe so irreal lange (wie schon auf CD), dass man kurz glaubt, man befinde sich wieder in der Virtual Reality. Sein Siegmund hat an Intensität gegenüber dem Debüt in New York 2011 sogar noch gewonnen.
gert Korentschnig, münchen