Frische Millionen und neue Spieler fürs Match ums TV
Von Christoph Silber
14.000 Fachbesucher aus über 110 Ländern machten Cannes wieder zum Zentrum der Fernsehwelt. Wohin die Reise geht, wurde letzte Woche bei der TV-Messe Mipcom deutlich: "Streamingportale wie Netflix, Amazon und Co. sind innerhalb von nur fünf Jahren zum bestimmenden Faktor geworden. Und die Kreativität wandert dorthin, wo das Geld ist und das scheint dank Börsen-Phantasien fast unbegrenzt zu sein", meint Markus Andorfer, der im deutschsprachigen Raum TV-Sender und Produzenten berät. Eine Zahl, die das noch unterstreicht: Von 4800 Programm-Einkäufern waren bei der Mipcom allein 1700 von Streamingdiensten.
Und alle reden von Hochglanz-Serien, von TV als neues Kino und vielen frischen Millionen. Allein Netflix will acht Milliarden Dollar in originalen Content investieren. "Die Produktionsqualität der High-Concept-Serien ist beeindruckend. Aber ich frage mich immer öfter, wer das schauen soll. Und manchmal beschleicht einen das Gefühl, dass manche Produktion tief aus der Lade geholt wurde."
Mit zu dieser Konjunktur, die eine Blase werden könnte, trägt bei, dass große US-Studios und -Sender eigene Plattformen forcieren und den Nachschub für Streaming-Portale einfrieren. Andorfer: "Ohne einen großen Programm-Stock aus Film und Serie, die auch noch den Schub durch die Bekanntheit aus dem Free-TV mitbringen, ist völlig offen, wie jetzt hochgelobte Unternehmen bestehen können."
Telkos und Social Media
Für Gesprächsstoff sorgte in Cannes auch "Babylon Berlin". Die bei Sky gestartete, teuerste deutschsprachige Serie wurde vom Pay-TV-Sender, der ARD und Jan Motjos Betafilm für 40 Mio. Euro produziert und bisher in 60 Länder verkauft. "Es ist die erste Co-Produktion eines Abo-Senders und eines Öffentlich-Rechtlichen, wobei die ARD erst Ende 2018 senden darf. Wenn das dort auch noch funktioniert, ist das eine Blaupause für die Finanzierung vieler weiterer Produktionen", meint Andorfer. Er sei allerdings skeptisch.
Nordisch ist in
In Cannes ist auch die TV-Unterhaltung stets wichtig. "Zuletzt lagen Kreativ-Hotspots in kleineren Ländern wie Neuseeland, Schweden oder Israel. Nach Flopps (etwa ,Rising Star‘) beim Transfer von Produktionen in Hauptmärkte spielen wieder klassische TV-Länder wie Großbritannien, USA oder Frankreich die größere Rolle."
Trotzdem ist Andorfers Favorit nach der Mipcom kein TV-Riese. "Norwegen hat auf vielfältige Art aufgezeigt." Viel geredet worden sei über "The Match": In der Sitcom kommentieren Sportreporter die Suche eines 20-Jährigen nach Freundin und Spaß im Leben. In der Reality "All in" wiederum treffen Lebensträume auf den Realitätscheck. Und eben wurde bekannt, dass Oscar-Nominee Morten Tyldum ("The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben") den Roman "The Black Viking" als Serie für Paramount umsetzen wird. Mehr Norwegen geht im TV fast nicht.