Freundschaft und Zweifel, ein Leben lang

Da saß also dieser Teutone, tief in den Polster gedrückt, und tat, als ob er schliefe. Die Füße lagerten auf dem gegenüberliegenden Sitz, der letzte, der frei war. Und da stand Damiano Giuseppe Pepe, von allen Nuccio genannt, nahm die Füße des vermeintlich Rücksichtslosen, und legte sie sehr bestimmt auf den Boden. Er bekam einen Platz für die Nacht und einen Freund fürs Leben.

Diese Geschichte ist wahr, und sie ist bald vierzig Jahre her.

Der sizilianische Student Nuccio war auf dem Weg nach Wien, wo er zwei Tage bleiben wollte. Er blieb zwei Monate bei seinem neuen Freund David Vyssoki und erfuhr alles über dessen jüdische Familie und deren tragisches Schicksal.

Nuccio Pepe ist heute Unfallchirurg in Palermo. Wenn er nicht operiert, schreibt er Prosa und Lyrik. Die Erzählungen seines Wiener Freundes haben ihn nie losgelassen.

Mit „Il Dubbio“ veröffentlichte Pepe 2010 die Geschichte eines wieder gefundenen jüdischen Archivs, die direkt zur Familiengeschichte seines Freundes führt. Das Buch wurde in Italien mehrfach ausgezeichnet. Im Wiener Metro Verlag erschien nun die deutsche Übersetzung: „Der Zweifel“.

Worum geht es? Zunächst um die wahre Geschichte des Geheimarchivs, das im Sommer 2000 in einer Hausmeisterwohnung in der Herklotzgasse 21 inWien-Fünfhaus gefunden wurde. In achthundert Umzugskartons lagerten Dokumente aus der Zeit zwischen 1938 und 1945. Unter anderem Deportationslisten mit den Namen von 48.000 Juden, die von Wien aus in Konzentrationslager transportiert wurden, sowie eine Auswanderungskartei, die Informationen über 119.000 Menschen gibt, die 1938 in Wien gelebt hatten und emigrierten.

Den Hauptdarsteller in Pepes Buch lässt die Entdeckung des Archivs nicht zur Ruhe kommen. Dort, wenige Gassen entfernt, haben seine Eltern gewohnt. Doch er weiß nicht genau, was in seiner Familie geschehen ist. Das Archiv gib ihm keine Antworten. Nuccio Pepe erzählt vom lebenslangen Zweifel seines Freundes.

KURIER-Wertung: **** von *****