Flut-Sänger zeigt sein Linz bei Nacht
Von Felix Diewald
Wir wären fast dortgeblieben. Der Zug um 23.35 nach Wien geht nämlich von Gleis sieben ab, nicht von Gleis acht. Als wir das realisieren, stehen wir allerdings schon im falschen Zug – und können nicht raus. Die Türen sind verriegelt, die Waggons leer. Er wird wohl gleich eingezogen. Gegenüber fährt gerade unsere Verbindung ein. Es ist die letzte Verbindung heute Nacht. Während Fotograf und Reporter hektisch versuchen, die Tür doch noch aufzubekommen (was sie im letzten Moment auch tut), steht Johannes Paulusberger, Sänger der oberösterreichischen Band Flut daneben und filmt mit seinem Handy ein Video für das soziale Netzwerk Instagram.
Noch so eine Sache, die ihn von den 80ern unterscheidet. Doch dazu später mehr. Erst einmal alles der Reihe nach. Einige Stunden zuvor kommen wir mit Sänger Johannes Paulusberger, der mittlerweile in Wien wohnt, am Linzer Hauptbahnhof an. Der Plan: Auf den Spuren vom größten Flut-Hit „
Linz bei Nacht“ zu wandeln und etwas vom Lebensgefühl, vom Vibe einzufangen, den dieser Song und auch die Band selbst transportiert.
Viel Glitzer, viele Ketterln
Flut, fünf junge Männer, der Kern aus im Innviertel in der Nähe von Schärding, das sind auf den ersten Blick die 80er. Da ist die Musik: viel Synthesizer, viel Hall. Da ist die Kleidung: viel Glitzer, viele Ketterln. Und da sind natürlich die Videos, gedreht mit dem Videorekorder. Vergangenes Jahr schlägt die Band und ihr Sound im Alternativmusik-Universum ein, der Hype ist da. „Linz bei Nacht“ wird zum Nummer-eins-Hit auf Radio FM4. Konzerte im gesamten deutschsprachigen Raum folgen.
Wir starten unsere Tour am Linzer Hauptbahnhof, vor dem verlassenen ABC-Buffet am Fuße der Gugl, einer Anhöhe auf der das Linzer Stadion steht. Auch wenn das Lokal schon lange nicht mehr offen hat, mag Paulusberger die raue Ästhetik hier.
80s-Jugend
Während der Schulzeit begannen die Bandmitglieder nebenbei VHS-Filme zu drehen, die Musik kam erst später dazu. Aber wie kommt eine Gruppe an Teenagern eigentlich darauf, ausgerechnet eine Band im 80s-Stil zu formen? „In der Provinz zerbricht man sich nicht den Kopf, sondern macht einfach. Es gibt keinen Neid, Lästereien von anderen Bands, weil es einfach keine Szene gibt.“, sagt Paulusberger. Was dazu kommt: „Als wir vor ein paar Jahren begonnen haben, war 80er-Musik noch ein heimliches Vergnügen, für das man sich geschämt hat.“, sagt der Sänger. Heute ist das Jahrzehnt in Mode und Musik Hauptbezugsquelle und gilt wieder als cool. Trotzdem, und das ist Paulusberger wichtig, wolle man „die 80er nicht kopieren“. Vielmehr lasse man sich davon inspirieren und versuche ein nostalgisches, verträumtes Bauchgefühl rüberzubringen. „Der Sound ist aber gleichzeitig aktuell.“ So ist der Band etwa jeder Technikfetisch fremd. „Wir brauchen keine alten Synthesizer oder tolles Equipment, wir simulieren das am Computer.“
Kultiges Video
Wir spazieren wir durch die Linzer Altstadt. Unser Ziel ist das afrikanischen Lokal Tamu Sana gleich neben der Stadtwerkstatt, am Ufer Urfahrs. Ein Linz-Favourite von Paulusberger. Bei einem großen Soda Zitron gehen wir das kultige „Linz bei Nacht“-Video noch einmal Szene für Szene am Handy durch. Denn, und das ist durchaus ungewöhnlich: Die Band dreht jedes ihrer Videos selber. Und für „Linz bei Nacht“ wurde sie sogar für den österreichischen Musikvideopreis nominiert. „Linz bei Nacht“ ist auf VHS gefilmt und mit seinen langsamen Zooms und Überblendungen natürlich in bester 80s-Manier gehalten. „Wir haben die Aufnahmen auf alten Röhrenfernsehern abgespielt und noch mal mit Digitalkameras abgefilmt, um ein Rauschen zu erhalten.“ Zu Beginn eine Einstellung der glimmenden Voest-Stahlwerke bei Nacht, gefilmt vom gegenüberliegenden Hügel. „Das sieht aus wie Mordor, das Reich des Bösen in Herr der Ringe.“, erzählt Paulusberger und lacht.
Der Band ging es allerdings nicht darum, Stahlstadt-Tristesse zu zeigen. Vielmehr habe man versucht, Linz zu feiern: „Ich finde, man kann Linz dafür in die Höhe heben, dass es eine Industriestadt ist.“ Beim Betrachten des gut ein Jahr alten Videos am Restauranttisch wird Paulusberger nachdenklich:“ Schön zu sehen, dass ich so aus mir rausgehe.“ Er nennt es „dieses Alles-Wurscht-Selbstvertrauen“, eine kindliche Naivität. Heute sei er abgebrühter. Und jetzt lässt er, ganz beiläufig, noch den eigentlichen Knaller-Satz fallen: „Das letzte Wort beim Schreiben dieses Songs war: Linz. Ich habe es ursprünglich gar nicht für die Stadt geschrieben.“ Aber vielleicht passt es gerade deswegen so gut.
Erwischt wird nur, wer nicht laufen oder lügen kann/ Ich schwör’s bei Gott, das war mein letzter Überfall/ Linz bei Nacht.
KURIER-Magazin "Oberösterreich"
Kulinarische Tipps, faszinierende Menschen, alte Handwerkstraditionen, kulturelle Highlights und ein hochmodernes Industrieland. Das neue KURIER-Magazin Oberösterreich gibt spannende Einblicke. Ab sofort um 7,50 Euro im Handel erhältlich oder als versandkostenfreie Direktbestellung über E-Mail an magazin@kurier.at erhältlich.