Filmkritik zu "Ein Triumph": Im Gefängnis „Warten auf Godot“ spielen
Von Alexandra Seibel
Wenn Häftlinge im Gefängnis etwas können (müssen), dann ist es warten: Warten auf das Essen, warten auf Besuch, warten auf den Hofgang, warten auf die Freilassung. Was liegt da näher, als sie in einem Theaterstück von Samuel Beckett auftreten zu lassen?
In „Warten auf Godot“?
Der arbeitslose Schauspieler Etienne, gespielt von Kad Merad, soll einer Gruppe von fünf Häftlingen mithilfe eines Theaterworkshops bei der Resozialisierung helfen. Zuerst werden nur fade Tierfabeln einstudiert, doch dann kommt Etienne die blendende Idee mit Beckett.
Der Einfall stößt bei seinen Laiendarstellern auf Unverständnis, dann auf Widerwillen und schließlich auf zögerliche Bereitschaft. Die fünf Männer beginnen, sich auf die Absurdität von Becketts Text einzulassen: Mit Warten kennen sie sich aus. Und ihre Wut lässt sich gut in die Dialoge übersetzen.
Üblicherweise steht bei sympathischen Bewährungskomödien wie dieser die triumphale Aufführung am Ende des Films. Hier jedoch findet das beklatschte Bühnendebüt bereits vor der Filmmitte statt – und geht dann auf Tournee.
Wechselbad
Jede Aufführung bietet neue Herausforderungen für die Häftlinge, die sich im Wechselbad der Gefühle befinden.
Auf der Bühne werden sie beklatscht und mit Blumen beschenkt, bei der Rückkehr ins Gefängnis von mürrischen Wärtern gefilzt; die Blumensträuße wandern direkt in den Mistkübel.
„Ein Triumph“ basiert auf den Erlebnissen des schwedischen Schauspielers und Regisseurs Jan Jönson. Als das Drama noch zu seinen Lebzeiten 1985 in einem schwedischen Gefängnis inszeniert wurde, schrieb Samuel Beckett: „Das ist das Schönste, was meinem Stück passieren konnte.“
INFO: F 2020. 106 Min. Von Emmanuel Courcol. Mit Kad Merad, David Ayala, Wabinlé Nabié.