Kultur

FM4-Frequency: Nach Unwetter-Pause doch noch ein Festival wie damals

Donnerstag, 14.45 Uhr am Parkplatz beim VAZ in St. Pölten: Das Konzert von 100 Gecs, die gerade hier die Space Stage gekapert haben, sollte eigentlich der offizielle Beginn des FM4-Frequencys 2022 sein. Doch zumindest hier fällt der Auftakt zum Comeback des Festivals nach der Corona-Pause erstaunlich unspektakulär aus. Ein paar Hundert Feierwütige haben im Wave Breaker sehr viel Platz, um sich zu den chaotischen, von wuchtigen Bässen und Computer-generierten Verzerrungen geprägten Sounds des US-Duos in Stimmung zu hüpfen.

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Das liegt aber nicht daran, dass man dieses Festival nicht herbei gesehnt hätte. Es liegt daran, dass sich die meisten schon seit einer Viertelstunde vor der Green Stage drängeln, wo - nicht ganz programmgemäß - der Bonner Rapper SSIO auf der Bühne steht.

 
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Für die Camper, die schon am Mittwoch ihr Zelt aufbauen wollten, gab es nämlich gestern auf der heuer in die Halle verlegten Red Bull Stage das „Prequency“-Programm mit sechs Acts. Doch als um 22.00 Uhr SSIO auf die Bühne gehen sollte, drängten derart viele Leute zu dem Event, dass die Halle gesperrt werden musste. Einige der enttäuschten Fans,  randalierten und traten Zäune um. Veranstalter Harry Jenner stand unter wütendem Becher-Beschuss, als er sich entschuldigte und ankündigte, dass das Konzert am nächsten Tag um 14.20 Uhr stattfinden wird.

 
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Und genau da entlädt sich jetzt die Freude über die Rückkehr des FM4-Frequencys. Doch just als sich diese Stimmung bei Kummer, dem Solo-Act von Kraftklub-Sänger Felix Kummer, auch vor der Space Stage ausbreiten will, wird sie wieder gebremst. Nach drei Songs und einer energiegeladenen Miniperformance muss er aufhören. Ein Unwetter ist im Anzug, das Gelände wird geräumt. Von 100 km/h Windgeschwindigkeit ist die Rede, die Zuschauer sollen ihre Zelte sichern. So arg kommt es zum Glück nicht, es blitzt und regnet, aber das Schlimmste zieht am Gelände vorbei. Nach etwas mehr als einer Stunde geht es weiter.

 
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Leider nicht mehr mit Kummer. Glass Animals sind dran und mit ihrem braven, konventionellen Indie-Rock-Sound noch ein bisschen die Anheizer, bei dem alle aus den Zelten zurück aufs Gelände strömen.

Und dann endlich bei 24KGoldn fühlt es sich wieder an wie anno dazumal, wie bei den FM4-Frequencys vor der Pandemie. Der Wille, die vergangenen zwei Jahre abzuschütteln, spielt dabei genauso mit, wie das vertraute Gelände: Das Pub im „Outer Space“ hinter der VIP-Tribüne ist genauso zurück, wie der „Hopfengarten“ hinter dem Mischpult-Turm, das Autogrammzelt, der Bungee-Jumping-Kran und die Techno-Beschallung beim Zigaretten-Palast.

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Längst sind Festivals keine reinen Musik-Events mehr. Die Besucher wollen ein Gesamterlebnis und kriegen es. Und das Angebot an Spaß, Zerstreuung und Spiel rund um die Konzerte wird ständig ausgebaut. Der Desperados Fortress mutet heuer weit größer an als 2019 beim letzten FM4-Frequency vor der Pandemie. Auf der „Railaxed“-Stage beim Campingplatz wird Techno-Yoga oder ein Afro-Dance-Workshop angeboten. Und das anno 2022 größer angelegte Gelände vor der Green Stage beherbergt die neue „Embassy", die Festival-Pässe ausstellt, mit denen man zwei Bier gratis kriegt. Am „Post Office“ daneben kann man Frequency-Postkarten verschicken.

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Aber noch ist vielen Besuchern nach so langer Live-Pause die Musik wichtiger. Man ist auch gerade erst angekommen. Das Gelände mit all seinen Möglichkeiten kann man auch morgen noch in Ruhe austesten.

Speziell, weil jetzt sowieso das unbestrittene Highlight von heute - für viele auch vom ganzen Festival - dran ist. RAF Camora und Bonez MC lassen es im wahrsten Sinn des Wortes krachen: Explosionen und Flammenwerfer in Rammstein-Manier begleiten die Show des Duos - genauso wie die häufige Wiederholung des Animations-Slogans "Wo sind Hände? Ich will Hände sehen!" Das verzückte Publikum folgt brav, reißt die Arme in die Höhe, plärrt die in vielen Passagen fragwürdigen Texte in den mittlerweile kühlen Nachthimmel von St. Pölten.
 

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Hits wie "Kokain" und "500 PS" werden - während auf der Green Stage James Arthur  vergleichsweise geringen Zuspruch hat - mit viel Abwechslung in der Show umgesetzt. Bald wird das Geschehen auf das Dach des Mischpult-Turms verlegt, wo Go-go-Girls in String-Tangas das Hinterteil hochrecken und schütteln, als stünden sie für einen Soft-Porno vor der Kamera. Zurück auf der Hauptbühne thront dort ein riesiges Krokodil - das Maskottchen der 187 Straßenbande, jenem Rap-Kollektiv mit dem Bonez MC einst in Hamburg begann. Fotografieren, da sind die beiden streng, darf das alles aber keiner der Profis vor Ort.

"Angst" sagen sie, hätten sie vor diesem Auftritt gehabt, weil sie Videos von ihrer FM4-Frequency-Show vor drei Jahren angesehen haben und das damals so cool gewesen sei, Angst, dass es nicht mehr so cool sein könnte. Aber nein, anno 2022, erzählen sie weiter, sei es "noch viel krasser". Das darauf folgende Gejohle des Publikums heißt wohl: "Absolut eurer Meinung".

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Und die Feierlaune der 50.000 Fans im ausverkauften Green Park hält an diesem ersten Tag auch bei Jason Derulo noch an. Der Amerikaner, der seinen Pop-Sound mit Hip-Hop-Elementen versetzt, hat auch viel zu bieten: Hits wie „In My Head“ oder „Wiggle“, eine perfekte Band und eine Soul-Stimme, die erstaunliche Höhen erklimmen kann. Alles in allem ein ansprechender Auftritt, der dem anfangs chaotischen Tag einen versöhnlichen Abschluss gibt und die Live-Entbehrungen der Pandemie vergessen macht.