Estas Tonne schaute auf zwei Räucherstäbchen in Wien vorbei
Von Guido Tartarotti
Estas Tonne ist ein Phänomen: Ein Sologitarrist füllt mit einem, sagen wir, überschaubaren musikalischen Angebot und einem darum herum gebauten esoterischen Weltbild große Hallen (bei Kartenpreisen von 36 Euro aufwärts).
Auf der anderen Seite: Das passt eh perfekt in unsere postreligiöse Gesellschaft.
Estas Tonne kam 1974 in der Ukraine zur Welt. Zuerst ein Geheimtipp in „alternativen“ Kreisen, ist er heute ein Star. In Wien füllt er die Marx-Halle, auch bekannt als Michael Niavaranis Globe-Theater.
Tonne betritt die Bühne, an seiner Gitarre hängt eine blaue Feder („Fuchsschwanz für Esoteriker“, sagt eine Konzertbesucherin) – und dann zündet er sich tatsächlich ein Räucherstäbchen an und klemmt es an den Hals seines Instruments. Das Konzert dauert ziemlich genau zwei Räucherstäbchen lang – also etwa zwei Stunden.
Einzelne Stücke sind nicht auszumachen. Tonne spielt nicht virtuos, sondern „eindringlich“, seine Melodien kreisen um sich selbst, per Fußpedal spielt er dazu Hall- und Echoeffekte und Synthesizer-Klänge ein, manchmal auch Wasserrauschen, Vogelzwitschern oder Babylachen. Also all das, was New-Age-Jünger wirklich, wirklich gern haben. (Im Foyer der Halle gibt es auch passende Literatur dazu.)
Sein Mikrofon benutzt Tonne, um schwer hinein zu atmen – oder um Gleichnisse über das „in Kreisen ablaufende“ Leben zu erzählen. Und gegen Ende hat man das Gefühl: Zwei Minuten noch, und er gründet an Ort und Stelle eine Religion.
Tonne ist ebenso sympathisch wie seine Musik – aber manchmal wünscht man sich, er würde all die Klangeffekte und all das spirituelle Brimborium einmal weglassen – und einfach nur ein Lied spielen.