VÖZ-Präsident Kralinger: „Es gibt dringenden Aufholbedarf!“
Von Christoph Silber
Am kommenden Donnerstag startet die zweitägige Medienenquete der österreichischen Bundesregierung mit hochkarätigen Gästen und Referenten (siehe Anhang unten). Gleichzeitig wachsen in der Medien-Branche die Bedenken, dass am Ende, wie oft in der Vergangenheit, nur eine Diskussion um den ORF samt Gesetzesnovelle herauskommt.
„Aus meiner Sicht wäre das ein sehr spärliches Ergebnis. Ich gehe aber mit einem größeren Optimismus heran“, erklärt Thomas Kralinger, Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und KURIER-Geschäftsführer. Seine Erwartungshaltung sind „wesentliche Schritte hin zu einem funktionierenden österreichischen Medienmarkt, auf dem die Akteure gleiche und faire Bedingungen haben. Es ist das unerlässlich, wenn, so auch mein Eindruck aus den Gesprächen mit Minister Gernot Blümel, man qualitätsgetriebene, heimische Medien als wichtige Säule für die Demokratie und Entwicklung der Gesellschaft versteht.“
Fairness
Für den VÖZ geht es in Zeiten des digitalen Wandels um die Beseitigung bestehender gesetzlicher Schieflagen, die nicht nur seine Mitgliedsmedien betreffen, die Presseförderung, aber auch um Medienerziehung.
„Das Geschäft betreiben müssen immer noch wir selbst und niemand erwartet, dass die Politik alles regelt“, sagt Kralinger. „Aber allein durch die österreichische Besonderheit der Werbeabgabe gibt es eine relevante Benachteiligung, denn sie gilt nicht im digitalen Bereich.“ Dorthin und vor allem zu ausländischen Unternehmen, die auch noch geringer steuerlich belastet sind, wandern die Werbegelder. „Da muss einiges repariert werden, was in den vergangenen Jahren aus dem Fokus geraten ist. Manches davon kann man nicht allein in Österreich erledigen, aber einiges doch und das sollte angegangen werden. Es gibt dringenden Aufholbedarf!“, erklärt der VÖZ-Präsident.
Brisanz
Den sieht Kralinger auch bei der Presseförderung für Print. Und das keineswegs nur als Selbstzweck. „Tageszeitungen gehören noch immer für 70 Prozent der Bevölkerung zu den bevorzugten Quellen für Nachrichten. Hier informiert sie sich über Politik, Bildung, Gesundheit, Sicherheit, Wirtschaft. Tageszeitungen sind also ein Schatz. Deshalb ist es so wichtig, dass dieser österreichische Markt auch in der Zukunft überleben und sich weiterentwickeln kann.“
Für wesentlich hält Kralinger hier auch die Frage der Medienerziehung. „Das hat Brisanz. Junge Menschen muss man lehren, wie Nachrichten entstehen, wer sie wie kuratiert – oder auch nicht – und wie man Konsumiertes kritisch hinterfragt. Das passiert nicht von allein.“ Auch in Hinblick auf die Integration unterstreicht Kralinger die Relevanz der Printmedien und einer schulischen Medienerziehung. „Weil diese junge Menschen sonst nie die österreichische Sicht der Dinge und Kultur vermittelt bekommen, sondern in dem verharren, was ihre Eltern konsumieren.“
Zur Frage der Förderungshöhe verweist Kralinger auf deren Historie: Anfang der 90er-Jahre lagen Parteien- wie Presse-Förderung auf ähnlicher Höhe bei etwa 22 Millionen. „Die Parteienförderung kommt nun, so zitierte jüngst der KURIER Politikwissenschafter Hubert Sickinger, auf etwa 200 Millionen – die Presseförderung ist in den Jahren hingegen auf etwa 8,3 Millionen gesenkt worden. Ich denke, es wäre lohnend, wenn sich die Regierung und die im Nationalrat vertretenen Parteien einmal dieses Missverhältnis anschauen würden.“
Einen Public-Value-Topf zu schaffen, der auch aus Mitteln, die über die ORF-Gebühren eingenommen werden, gespeist wird, dem spricht Kralinger „einen gewissen Charme“ nicht ab. Er verweist aber auch auf den umfangreichen wie breiten öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF. „Und den legt der Gesetzgeber fest.“
Eine „intensive Diskussion“ erwartet Kralinger noch darüber, was die Anforderungen sein sollen, um Förderungen zu erhalten. „Das reicht von der Zugehörigkeit zu Selbstkontroll-Gremien wie dem Presserat über Redakteursstatute oder die Einhaltung von Kollektivverträgen – da liegt bereits einiges auf dem Tisch, aus dem ein System entwickelt werden kann.“
Die Medienenquete - Programm:
Die Medienenquete findet am 7. und 8. Juni im Museumsquartier Wien statt. „Der medienpolitische Diskurs soll dabei auf eine neue qualitative Ebene gehoben werden“, heißt es auf der Homepage des Kanzleramts. Vorab bat man dort um Antworten auf Fragen zu öffentlich-rechtlichem Auftrag und Public Value, Finanzierung und Förderung, Digitalisierung und Demokratie. Top-Speaker sind neben Regierungsmitgliedern Mathias Döpfner, Vorstandschef von Axel Springer, Gerhard Zeiler, President Turner International, EU-Kommissarin Vera Jourova und EBU-Generaldirektor Noel Curran.