Kultur

Erich Lessing: "Fotografie ist Interesse am Leben"

Er ist der Doyen der österreichischen Fotografie. Mehr als 70 Jahre lang dokumentierte Erich Lessing das Zeitgeschehen, reiste durch ganz Europa, war beim Wiederaufbau Berlins ebenso mit seiner Kamera dabei wie beim Ungarnaufstand. Zu seinem 90. Geburtstag vermachte Lessing der Nationalbibliothek im vergangenen Jahr sein privates Fotoarchiv: es waren 60.000 Bilder.

Von Ruhestand will Erich Lessing aber noch lange nichts wissen. Seine Erfahrung gibt der Meister der Reportagefotografie nun auch im KURIER-Fotowettbewerb weiter, bei dem er in der Jury sitzt. Für Lessing ein besonderes Anliegen, denn: "Fotografie zwingt die Menschen, sich mit der Außenwelt zu beschäftigen. Als Fotograf tritt man mit der Welt an sich in Beziehung und lernt, sie durch das Bild besser zu verstehen." Dass Fotografie mittlerweile zum Breitenphänomen geworden ist, kann Lessing daher nur begrüßen. "Fotografie ist Interesse am Leben, und es ist wichtig, dass die Menschen an ihrer Welt teilnehmen."

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Das sei auch die Motivation gewesen, die ihn schon in jungen Jahren - seine erste Kamera bekam Lessing mit 13 geschenkt - zur Fotografie brachte: "Ich hatte einfach Lust zu dokumentieren, wie die Welt ausieht." Und, Lessing sagt das fast beiläufig: "Vielleicht rannte ich auch der Illusion nach, dass man etwas verbessern kann."

Beschleunigt

Ab 1951 war Erich Lessing Mitglied der legendären Fotoagentur Magnum. Weltbekannt wurde er mit seinem Bild von der Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955: Ein strahlender Leopold Figl auf dem Balkon des Belvedere, umringt von den Außenministern der alliierten Siegermächte. Wie die Welt, sagt er heute, hat sich auch die Fotografie in all den Jahren verändert: "Die Bewegung ist viel schneller, dynamischer geworden. Wir sind nicht mehr so starr in unseren Aufnahmen."

Worauf er bei der Bewertung der Bilder beim KURIER-Fotowettbewerb achten wird? "Es muss nichts Besonderes sein, es muss nur beeindruckend sein", erklärt Lessing verschmitzt. Und was will er jungen Nachwuchsfotografen mit auf dem Weg geben? "Schuhputzer lernen".

Lessing wird wieder ernst. "Es gibt einfach keine Zukunft in diesem Beruf. Der Markt ist weg, wo man seine Sachen verkaufen kann." Einen Leitfaden für Amateurfotografen hat er nicht. "Wenn man fotografiert, will man nur das tun und sonst gar nichts." Einen Tipp hat er dann doch noch: "Man muss einfach viel fotografieren, damit es manchmal gelingt."

Erich Lessing: Sein Lebenswerk in Bildern

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Hinweis: Am Sonntag, 12. Oktober feiert im Rahmen des Jüdischen Filmfestivals ein neuer Dokumentarfilm über Erich Lessing Premiere. "Der Fotograf vor der Kamera" wird um 11.00 Uhr im Stadtkino im Künstlerhaus gezeigt. Im Anschluss an die Vorführung spricht Danielle Spera mit Lessing über sein Werk. Dazu wird Erich Lessings neuer Fotobildband "Anderswo" vorgestellt.

Zur Person: Erich Lessing, Dokumentarist und Zeitzeuge

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Erich Lessing wurde am 13. Juli 1923 als Sohn eines Zahnarztes und einer Konzertpianistin in Wien geboren. 1939 emigrierte er nach Palästina, studierte in Haifa Radiotechnik und arbeitete als Karpfenzüchter in einem Kibbuz. Zur Fotografie fand Lessing zuerst als Kindergarten- und Strandfotograf, während des Krieges wurde er bei der Britischen Armee als Fotograf verpflichtet. Nach Kriegsende kehrte der nun 24-Jährige nach Wien zurück und lernte seine spätere Frau Traudl kennen. Diese arbeitete als Journalistin bei der amerikanischen Nachrichtenagentur Associated Press, für die auch Lessing fortan als Fotoreporter wirkte. Nebenbei arbeitete er als freier Fotograf für Zeitschriften wie "Life", "Paris Match" oder "Fortune". 1951 stieß Lessing zur Magnum Agentur, die vier Jahre zuvor von Robert Capa, George Rodger, David Seymour und Henri Cartier-Bresson in Paris gegründet wurde.

Seit den 60er Jahren inszenierte der Kunstfotograf mit seinen, von ihm als "Erzählfotos" bezeichneten Arbeiten, historische Persönlichkeiten wie Musiker, Poeten oder Physiker. Zehntausende Aufnahmen entstanden im Verlauf seiner Karriere, viele davon haben in über 60 Büchern und Ausstellungen auf der ganzen Welt ihr Publikum gefunden. Gemeinsam mit Harry Weber und Franz Hubmann bildete er das große Triumvirat der österreichischen Fotografie. Er erhielt den American Art Director's Award, den französischen "Prix Nadar" oder den Dr.-Karl-Renner-Preis. 1998 wurde Lessing mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Künstlerische Fotografie ausgezeichnet. Seit Lessing 1973 den Berufstitel Professor trägt, hat er an Orten wie der Biennale Venedig, Arles oder der Salzburger Sommerakademie unterrichtet.