Kultur

El Sistema - "eine Botschaft an die Welt"

Das hat es in der langen Geschichte der Salzburger Festspiele noch nie gegeben: An die 1300 Kinder und Jugendliche wollen in den kommenden Tagen die Mozart-Stadt erobern. Nicht als Besucher, sondern als Mitwirkende. In insgesamt 14 Konzerten präsentiert Festspielchef Alexander Pereira das venezuelanische Musikerziehungsprogramm El Sistema. Und Pereira sieht das als „Botschaft an die Welt“.

Tiefgarage

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Was aber ist El Sistema eigentlich? Begonnen hat alles 1975 in einer Tiefgarage. Damals gründete der Dirigent, Komponist, Wirtschaftswissenschaftler und spätere Politiker José Antonio Abreu das erste venezuelanische Kinderorchester mit zwölf Kindern aus den so genannten Barrios, den Slum-ähnlichen Vorstadtsiedlungen. Das Ziel: Über die Musik sollten die Ärmsten der Armen von Jugend an in die Gesellschaft integriert werden; gemeinschaftliches Musizieren war das Gebot der Stunde. Und ist es heute noch.

Weltgeltung

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Nur dass Abreu – er wird am Freitag auch die Rede zur offiziellen Eröffnung der diesjährigen Salzburger Festspiele halten – inzwischen auf eine international erfolgreiche Organisation zurückblicken kann. Abreu bei der Präsentation von El Sistema: „Ich begreife El Sistema nicht nur als künstlerisches, sondern auch als soziales Projekt.“ Ein Projekt, das mittlerweile die halbe Welt umspannt, aus dem neben Orchestern wie dem Simon Bolivar Symphony (vormals: Youth) Orchestra auch Top-Stars wie Dirigent Gustavo Dudamel hervorgegangen sind.

Dudamel war auch der Auftakt der El-Sistema-Residenz (bis 11. August) im Großen Festspielhaus mit Mahlers achter Symphonie vorbehalten. Weitere Konzerte mit und ohne Dudamel folgen. So wird etwa Simon Rattle – neben Claudio Abbado einer der unterstützenden Maestri bei El Sistema – das National Children’s Symphony Orchestra leiten. Auch der „White Hands Choir“ – hier musizieren Kinder und Jugendliche mit schwersten physischen Handicaps – wird bei den Festspielen zu erleben sein. Pereira: „Ich will El Sistema in seiner ganzen Vielfalt präsentieren. Als ich El Sistema das erste Mal in Venezuela erlebt habe, sind mir die Tränen in die Augen geschossen.“

Mahnung

Doch Pereira wäre nicht Pereira, würde er damit nicht auch gleich den österreichischen und europäischen Politikern ins Gewissen reden. „Ich mache mir große Sorgen um die europäische Musikerziehung. Ich appelliere an die verantwortlichen Politiker zu handeln.“ Und – nicht ohne Seitenhieb – auf das Salzburger Kuratorium: „Ich habe für diese Residenz kein Geld von der öffentlichen Hand bekommen und musste diesen finanziellen Posten sogar verschämt aus meinem Budget streichen.“ Drei private Sponsoren machen das El-Sistema-Gastspiel möglich.

Eine Tatsache, die Abreu freut. Dieser nämlich hat schon weitere Pläne. So wird der renommierte amerikanische Architekt Frank Gehry in der venezolanischen Provinz Lara (der Heimat von Dudamel) ein Konzerthaus errichten. Geplante Eröffnung ist 2016. Zudem gibt es El-Sistema-Ableger bereits in vielen europäischen Ländern, in Australien und in Afrika.

Abreu: „Dass sich El Sistema in Salzburg präsentieren kann, ist eine besondere Herausforderung. Ich hoffe, dass sich die Salzburger Festspiele auch in Venezuela zeigen werden.“ Vorerst aber ist El Sistema gefordert. Eine Einladung nach Mailand, Pereiras zukünftige Wirkungsstätte, liegt bereits vor.

Konzerte

14 Konzerte mit diversen Dirigenten bestreiten die vielen Formationen von El Sistema bis 11. August bei den Festspielen.

Fernsehen

Auch im TV ist El Sistema sehr präsent. So hat der ORF das Eröffnungskonzert des Simon Bolivar Symphony Orchestras und Dirigent Dudamel (mit Mahlers Achter) aufgezeichnet. Sendetermin ist noch offen. Auf Servus TV gibt es am Donnerstag, ab 20.15 Uhr eine Doku über El Sistema, im Anschluss wird darüber bei Talk im Hangar-7 diskutiert. Am 10. 8. (18.30 Uhr) folgt eine Doku über die Initiative „superar“; am 11. 8. wird das Konzert von Simon Rattle mit dem Kinderorchester ab 11 Uhr live aus Salzburg übertragen. Am 17. 8. gibt es ab 18 Uhr eine Aufzeichnung des Konzerts des White Hands Choir“.