Arx Anima: Im Wiener Biedermeierhaus enstehen Webserien
Ich schau dir in die toten Augen, Kleines. Mit diesem, aus dem legendären Film „Casablanca“ entwendeten und zweckentfremdeten Zitat reagierten Kritiker auf die ersten digital erzeugten Menschen, die – von den leblosen Augen (noch) abgesehen – von echten Darstellern kaum mehr zu unterscheiden sind.
Sehr viel hat sich getan seit der Zeit, als gezeichnete Bilder noch mittels Daumenkino laufen lernten. Das zeigt sich auch an den Kinokassen: Computeranimierte Filme sind weltweit die unschlagbaren Blockbuster. Es war also höchste Zeit, könnte man sagen, dass dieser Boom auch in Österreich ankommt. Umso mehr, als die berühmte animierte Schreibtischlampe Luxo Jr., die sich in der Pixar-Signation anstelle des Buchstaben „i“ breitmacht, ihren Siegeszug durch die Animations-Welt in Österreich begonnen hat. Seit nämlich John Lasseter mit diesem Kurzfilm 1987 die „Goldene Nica“ der Ars Electronica gewinnen konnte.
2011 hat der junge Österreicher Kris Staber damit begonnen, ein Standbein dieser boomenden Unterhaltungsindustrie auf den Boden Wiens zu setzen. Mit seinem Animationsstudio „arx anima“ produziert Staber unter anderem die erfolgreiche Webserie „Talking Tom“. Die sprechende Katze ist eine der meistgesehenen Kinderserien der Welt, erzielt monatlich 350 Millionen Aufrufe – über Apps, YouTube oder Streamingdienste wie Netflix. Vom Drehbuch bis zu Postproduktion passiert alles in Wien. Für zehn Minuten dieser Katzenfilme braucht das Studio etwa neun Monate.
Firmensitz ist ein Biedermeierhaus, in dem einst das 1996 verstorbene Stadtoriginal „Waluliso“ wohnte. Heute wird hier auf einer Unmenge an Computer-Screens beinahe rund um die Uhr gearbeitet. In diesem wettbewerbsintensiven Geschäft auch im Vergleich zu Hollywood zu bestehen, gehe „nur über Effizienz und sehr gute Organisation der Arbeitsprozesse“, sagt Staber.
KURIER: Was hat Sie dazu bewogen, hier in Wien eine Firma zu gründen, wo doch Österreich im Vergleich zu Hollywood keine Tradition in dieser Kunstform hat?
Kris Staber: Man glaubt, dass die „anderen“ alles besser machen. Natürlich ist es wichtig, dass man zuerst einmal mit offenen Augen durch die
Welt reist und sich die unterschiedlichen Stil- und Spielarten in den USA, in England, oder in Japan und China anschaut. Ich habe in England und in Amerika studiert und auch dort gearbeitet. Wenn man längere Zeit dort überall war, dann wird einem klar, wie fantastisch die Lebensqualität in Wien ist. Und wenn man in dieser wunderbaren, künstlerisch anregenden Stadt leben will, dann muss man eben die Arbeit hierherholen.
Wie kann man internationale Auftraggeber und Künstler nach Wien holen?
Es ist natürlich eine besondere Herausforderung, amerikanische Produktionsfirmen dazu zu bringen, von den eingetretenen Pfaden – das Outsourcing nach Asien – abzuweichen und nach Österreich zu kommen. Der Großteil der Animationsfilme entsteht ja nicht mehr in Kalifornien, sondern in Kanada und Asien. Es war früher immer die Frage nach der modernsten Computertechnik, wenn man so einen Auftrag an sich ziehen wollte. Natürlich braucht man noch große Rechenleistung, aber die Technik ist leistbar geworden. Auch mit europäischen Budgets und Investitionen. Wir haben allein im Keller vierzehntausend Gigahertz an Rechenleistung stehen und können mit unserem Gesamtpaket international mithalten.
Welche internationalen Firmen sind bereits auf Sie aufmerksam geworden?
Wir sprechen momentan gerade mit Disney über Projekte, weil ja auch schon das meistgesehene YouTube-Video von Disney hier in Wien entstanden ist. Das hatte den Titel „You get me“. Dann haben wir die „Talking Tom“-Serie und wir sprechen gerade auch mit Dreamworks über konkrete Projekte. Es sieht also alles gut aus. Ich bin vier bis fünf Mal pro Jahr in Los Angeles, um geeignete Projekte an Land, das heißt nach Österreich zu ziehen.
Kann man in Hollywood mit dem Wien-Bonus punkten?
Mit dem Argument, dass Wien eine schöne Stadt ist, kann man niemanden hierherlocken. Denn schön ist in diesem Business kein Kriterium. Am Ende des Tages muss alles in ein Excel-Sheet passen, sag ich immer (lacht). Es wäre schön, wenn wir als „Zuckerl“ auch noch „tax cuts“, also einen Steuer-Bonus bieten könnten, denn immerhin holen wir ja auch Geldbeträge nach Österreich, die durchaus Sinn machen.