Ein neuer Name für die gefährliche Geliebte
Von Peter Pisa
Gut, dass jetzt die Neuübersetzung „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ auf dem Buchmarkt ist. In der alten hieß der Roman „Gefährliche Geliebte“ und war schuld daran, dass im TV „Das Literarische Quartett“ im Jahr 2000 zu Ende ging.
Weil nämlich Marcel Reich-Ranicki damals die Liebesszenen hocherotisch und fabelhaft und ungewöhnlich zart fand, während Sigrid Löffler eine Zeile mit dem Wort „vögeln“ zitierte und meinte, das sei keine Literatur, sondern Fast Food ... und dann wurde sinngemäß unterstellt, das Buch sei halt für einen alten Mann ergötzlich bzw. Frau Löffler halte Liebe für etwas Anstößiges.
Die Neuübersetzung beseitigt Störendes, etwa die japanische Anrede -san. Manchmal ist der Unterschied aber gewaltig.
Alte Übersetzung: „Während ich sprach, fixierte sie mich mit einem ruhigen Blick. Sie hatte eine Art, einen anzusehen, die einen buchstäblich fesselte. Es war, als ob sie ihrem Gegenüber – das habe ich mir natürlich erst viel später in dieser Form bewusst gemacht – behutsam eine Hülle nach der anderen vom Herzen streifte: ein ausgesprochen sinnliches Gefühl.“
Verwirrung
Und neu: „Sie sah mich lange an. In ihrem Ausdruck war stets etwas, was anderen Menschen zu Herzen ging. Etwas Sinnliches, als würde sie ihrem Gegenüber liebevoll Schicht um Schicht die zarte Haut vom Herzen ziehen.“
„Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ ist die Liebesgeschichte eines Jazzklubbesitzers in Tokio mit einem Todesengel – mit der schönen Yukiku aus Kindheitstagen. Sie ist wieder da, bringt Chaos, verwirrt die Sinne, auch jene des Lesers. Wahrscheinlich ist das Buch fabelhaft UND Fast Food.
KURIER-Wertung: ***** von *****
Info: Haruki Murakami: „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ Übersetzt von Ursula Gräfe. DuMont Verlag. 230 Seiten. 17,50 Euro.