Kultur

Drei Millionen Euro: Wiener Kabarettbühnen werden erstmals gefördert

Im Wiener Gemeinderat wurde gestern, Donnerstag, die Förderung von neun Wiener Kabarettbühnen in der Gesamthöhe von drei Millionen Euro für die laufende Saison beschlossen. Diese erstmalige Förderung ist als Akuthilfe gedacht, um durch die Coronakrise zu kommen. Für die Bühnen, die zuletzt einen jährlichen Gesamtumsatz von über 18 Millionen Euro gemacht haben, eine wertvolle Hilfe, wie deren Leiter heute im Gespräch mit der APA betonten.

Zwar betrage der Anteil der öffentlichen Förderung am Budget der Kabarettveranstalter damit noch weniger als 20 Prozent und sei damit weitaus geringer als in anderen Teilen der Kulturbranche, sagte Georg Hoanzl, doch könne man mit diesen Geldern nun leichter auch die Verantwortung gegenüber den Künstlern und Mitarbeitern wahrnehmen. Immerhin zahlten die neun Häuser jährlich knapp 13 Mio. Euro an Personalkosten, KünstlerInnengagen und Honoraren für freie Dienstnehmer aus.

Die Schuld der Politik

Die Politik, so wurde unisono betont, sei zweifach an der derzeit deplorablen Besuchersituation schuld: Einerseits durch die Anti-Corona-Restriktionen, die es nicht mehr annähernd ermöglichten, auf die eigentlich nötigen Einnahmen zu kommen, andererseits durch Verunsicherung der potenziellen Besucher: "Nach jeder neuen Regierungs-Pressekonferenz kommen neue Stornierungs-Anrufe rein", nahm nicht nur Heide Schwarzl vom Orpheum wahr. Ihr Kollege Erich Schindlecker plädierte "für mehr Gelassenheit. Das Virus ist im Kabarettlokal nicht aggressiver als beim Heurigen!"

Die drei Millionen Euro werden nach Bedarf aufgeteilt und liegen laut Angaben aus dem Kulturamt zwischen 30.000 Euro (Kabarett Niedermair) und 690.000 Euro (Simpl). Außer diesen beiden Häusern profitieren noch das Theater am Alsergrund, CasaNova Vienna, Globe Wien, Gruam, Kulisse, Orpheum und der Stadtsaal. Die Bandbreite der Sitzplatzkapazitäten liegt im Normalbetrieb zwischen 50 und 1.450 Personen. Die neun Häuser, die sich augenzwinkernd zu den "Vereinigte Kabarettbühnen Wien" (VKBW) zusammengeschlossen haben, bieten nach eigenen Angaben durchschnittlich 2.260 Veranstaltungen pro Jahr, die von über 570.000 Menschen besucht werden.

"Normalität wird sich so bald nicht einstellen"

Ob die erstmalige Förderung einen Paradigmenwechsel oder nur eine Nothilfe darstellen wird, ist noch offen. "Eine Normalität wird sich so bald nicht einstellen", fürchtet Martin Reiter vom CasaNova Vienna. "Wir hoffen natürlich, dass wir künftig wieder privatwirtschaftliche Gewinne machen können", sagte Michael Niavarani, der neben dem Simpl gemeinsam mit Hoanzl auch das Globe Wien betreibt. "Wenn es aber künftig gesellschaftliche Veränderungen geben sollte, muss man schon auch darüber reden dürfen, welche Räume künftig gefördert werden. Auch wenn es uns lieber wäre, wir bräuchten das nicht und sind unabhängiger und freier." Fürchtet man den Verlust von Unabhängigkeit, wenn man öffentliches Geld annehmen muss? Hat die Szene nicht gerade aus dieser Unabhängigkeit ihr Selbstbewusstsein bezogen? "Was nutzt mir Selbstbewusstsein, wenn ich tot bin?", brachte es Robert Mohor von der Gruam sarkastisch auf den Punkt. "Das ist ja Standortförderung und nicht Bestechungsgeld", ergänzte Schindlecker.

Auch der Bund habe mit dem mit 250.000 Euro dotierten Nachwuchsförderprogramm "Trampolin" begonnen, seine Verantwortung gegenüber der Kabarettszene als Teil einer lebendigen Kultur wahrzunehmen, ortete Michael Auernigg vom Theater am Alsergrund ein langsames Umdenken. Kurzarbeit oder NPO-Fonds sind zwar Hilfen, die teilweise auch von den Kabarettveranstaltern wahrgenommen werden, erwiesen sich im Detail dann aber oft als gar nicht so hilfreich oder übermäßig kompliziert, hieß es. Bei den Zukunftsplanungen sollte aber der heute bekannt gegebene neue Schutzschirm für Veranstalter helfen, der bei Ausfällen infolge von Anti-Corona-Bestimmungen schon geleistete Investitionen abgelten soll. "Ich gehe hundertprozentig davon aus, dass der auch für uns gilt", zeigte sich Georg Hoanzl überzeugt.

"Riss in der Gesellschaft"

"Durch die Unterstützung ist es auch möglich, unserer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen, den immer größer werdenden Riss in der Gesellschaft zu kitten", meinte Andreas Fuderer von Stadtsaal und Niedermair. "Mehr Vertrauen, weniger Angst", sei dabei das Gebot der Stunde, sagte Hoanzl, und Michael Niavarani zeigte sich zuversichtlich: "Seit der Antike hat das Theater so viele Katastrophen und Kriege, so viele Unbilden und Anfeindungen überstanden. Es wird auch diesen Virus überleben."