Donaufestival in Krems: Ein Angriff auf alle Sinne
Die Aliens kommen nach Krems: Mitte April steigt das diesjährige Donaufestival (von 19.-21. und 26.-28. April) zwischen Messehalle und Minoritenkirche, wobei Intendant Thomas Edlinger und sein Team heuer die "Community of Aliens" näher beleuchten wollen. Mittels Performances, Livemusik, aber auch bildender Kunst und Expertengesprächen soll der Frage nachgegangen werden, "wie Menschen, die unterschiedlich sind und deren Unterschiedlichkeit nicht verleugnet werden soll, miteinander auskommen können".
Das Mehrspartenfestival setzt sich traditionell mit gesellschaftspolitischen Themen und aktuellen Transformationsprozessen auseinander. Kulturelle Aneignung, die Überwindung des Menschlichen oder Gegenwart und Zukunft unseres Planeten sind dabei nur einige Beispiele aus den vergangenen Jahren. Diesmal rückt "eine Art solidarisches Handeln" in den Fokus, wie es Edlinger im APA-Interview ausdrückt. "Aber eben mit jenen, die nicht so sind, wie man selbst oder die man nicht so empfindet." Dafür sei der Begriff des Aliens besonders produktiv, weil er umfasse, fremd zu sein, sich fremd zu fühlen und zu Fremden gemacht zu werden - und mit all diesen Fremdheitserfahrungen umzugehen: "Der Alien-Begriff schillert in verschiedenen Dimensionen." Dank Darbietungen von so spannenden Acts wie The Jesus And Mary Chain (19. April) oder Autechre (27. April) sind jedenfalls sechs abwechslungsreiche Tage mit in Summe gut 50 Programmpunkten zu erwarten.
Nachfolgend weitere Highlights aus dem heute, Dienstag, veröffentlichten Programm:
Wie sich reale und virtuelle Welt zueinander verhalten und letztlich interagieren, versuchen Sylvia Eckermann und Gerald Nestler mit ihrer Mixed-Reality-Arbeit "Like a Ray in Search of its Mirror" im Forum Frohner zu erkunden. Was sich am Eröffnungstag als Performance präsentiert und zu einem Aufeinandertreffen von Pflanzen, Tieren, Menschen, organischen und anorganischen Stoffen führt, ist einerseits auch als Livestream verfolgbar und kann zudem über die gesamte Festivaldauer als Installation weiter auf das Publikum wirken. "Can you already feel the ecstatic sensation of alien copresence?", macht Eckermann auf ihrer Website Lust auf die Uraufführung.
Dem schwedischen Choreograf Jefta van Dinther obliegt es, beim heurigen Donaufestival das mächtige Hauptschiff der Dominikanerkirche zu bespielen. Er tut dies mit "Unearth" (20. und 21. April), einer beinahe meditativ wirkenden Zelebrierung von Leben und Tod, von Wachstum und Vergänglichkeit. In den mehr als drei Stunden kann man den knapp zehn Performern dabei folgen, wie sie ihre Körper im Raum positionieren, zueinander in Beziehung treten, diese vorsichtigen Bande aber auch immer wieder lösen, um neue Konstellationen einzugehen. Behutsame Handgriffe und Schritte gehen in kraftvolle Posen über, während der Sound einen nicht immer greifbaren Rhythmus vorgibt.
Zu den reduziertesten und gleichzeitig spannendsten Positionen des Donaufestivals gehören meist die ortsspezifisch entwickelten Vorhaben im Kapitelsaal des Minoritenklosters. Wo schon Dutzende kleine Lautsprecher insektenartige Geräuschkulissen hervorriefen oder der eigene Schädelknochen zum Klingen gebracht wurde, gibt es heuer "Zvon" von Jonáš Gruska, also eine Glocke. Passend für den Ort, aber nicht nur das, nutzt der in Bratislava lebende Künstler doch sein Objekt als Klangquelle, Resonanzkörper und Lautsprecher gleichermaßen, um sich mit psychoakustischen Phänomenen auseinanderzusetzen.
Die norwegische Künstlerin Jenny Hval bewegt sich schon seit gut 20 Jahren zwischen Genres und Ausdrucksformen, wobei die Musikerin und Schriftstellerin stets an einer Verschiebung von Grenzen und der Erweiterung ihrer Möglichkeiten interessiert ist. Mit "I Want To Be A Machine" (20. April) hat sie gemeinsam mit drei Mitstreitern eine neue Show entworfen, die nicht nur die Künstler selbst, sondern auch das Publikum im besten Sinne fordern soll. Als Referenz dient Hval dabei Heiner Müllers "Hamletmaschine", wobei sie nicht zuletzt die Relevanz der Musik selbst auf den Prüfstand stellt.
Der australische Soundkünstler Ben Frost ist ein alter Bekannter des Donaufestivals, hat er in Krems doch bereits etliche Projekte vorgestellt. Gemeinsam mit Greg Kubacki und Tarik Barri wird er am 26. April die Leidensfähigkeit seiner Anhänger einer Prüfung unterziehen, scheint er mit seinem neuen Album "Scope Neglect" doch wieder in die extremen Gefilde seiner frühen Arbeit einzutauchen. Brutales Dröhnen und unbarmherzige Riffs explodieren in einem futuristisch anmutenden Klangraum, der nicht selten wie ein akustischer Ausflug ins Weltall anmutet. Höchst wahrscheinlich darf man sich dazu auch eine entsprechende optische Umsetzung im Sinne einer auf Überwältigung abzielenden Lichtshow erwarten. Ein Angriff auf alle Sinne also.
Globalisiertes Festival
Tatsächlich wartet das Donaufestival heuer mit Künstlern von allen Kontinenten auf: "Es ist wirklich ein globalisiertes Festival. Wir haben Turntable-Artists aus Peru genauso da wie die australische Band The Necks und diverse cluborientierte Acts von Tunesien bis China." Insofern gebe es unterschiedliche Perspektiven auf Konflikte und Kriege, die aufgemacht werden. "Ein Festival ist auch dazu da, einen Raum zu eröffnen, der nicht in Beklemmung stecken bleibt", so Edlinger.
INFOS: Donaufestival von 19.-21. und 26.-28. April an verschiedenen Locations in Krems. www.donaufestival.at