"Don Quijote" schreibt Leserbriefe
Von Peter Pisa
Man hört die Seufzer der Entzückung, Weltliteratur sei das, jawohl, und noch immer so komisch ... allein, es fehlt der Glaube, dass Miguel de Cervantes’ 400 Jahre alter Roman vom kleinen, alten Landadeligen Alonso Quijano heute noch oft gekauft und vor allem gelesen wird. Ist doch fein, wenn man immerhin weiß: Der alte Mann hat gegen Windmühlen, Schafe und Weinschläuche gekämpft, in einer Prostituierten sein Burgfräulein gesehen und sich ein Rasierbecken als goldenen Ritterhelm aufgesetzt. Dass "Don Quijote" zeitgemäß neuinszeniert wurde, kann kein Fehler sein. Man muss nur etwas umlernen: Der Mann von la Mancha ist ein Wutbürger, lebt in Mecklenburg-Vorpommern und bombardiert "seine" Zeitung mit Hunderten Leserbriefe. Dulcinea, so heißt sein Kätzchen. Und gegen den Windpark, der das Land verschandelt, demonstriert er. Pferd hat er keines mehr zur Verfügung, nur im Traum, aber ein Fahrrad. Sein dickes Enkelkind ist der neue Sancho Panza, im Batman-Leiberl sitzt er im Bat-Mobil – soll heißen: auf einem Esel.
Residenz Cervantes
Es ist eine Comic-Version. Eine grafische Erzählung, die den 35-jährigen Berliner Flix (d. i. Felix Görmann) in die allererste Riege der deutschsprachigen Autoren/Zeichner katapultiert hat. Erschienen ist Flix’ "Don Quijote" kürzlich im Carlsen Verlag (17,40 Euro), und bei allem Spaß, den die 136 Seiten bieten, ist es etwas Trauriges, das dieses Buch so stark macht: Cervantes machte bloß am Anfang in einem einzigen Satz darauf aufmerksam, dass sein Held auf einmal verrückt geworden ist. Flix geht in Wort und Bild immer wieder auf die fortschreitende Demenz ein. Die "Seniorenresidenz Cervantes" kommt für den Alten selbstverständlich nicht infrage. Seine Tochter schreit er an: "Nennen Sie mich nicht dauernd Papa! Ich kenne meine kleine Antonia, wenn sie vor mir steht!" – "Jetzt hör bitte auf damit, Papa." – "Bitte, verlassen Sie mein Haus."