Thielemann über "Frau ohne Schatten": "Die Musik sagt alles aus"
Der deutsche Dirigent leitet die Premiere der „Frau ohne Schatten“ an der Staatsoper. Es ist wohl die Premiere des Jahres. Am 25. Mai – genau 150 Jahre nach der Eröffnung des Hauses am Ring – hat „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss an der Wiener Staatsoper Premiere. Regie führt Vincent Huguet, die Besetzung ist der Papierform nach erstklassig und am Dirigentenpult steht mit Christian Thielemann einer der profundesten Kenner dieses Werkes überhaupt.
Doch wie deutet man dieses 1919 am Ring uraufgeführte, verrätselte Stück? „Manche Opern sind schwer zu erklären. Jeder soll für sich seine Interpretation finden“ sagt Thielemann. Denn: „Es ist ein gleichnisartiges Märchen. Wenn man da mit der Psychologie beginnt oder gar eine politische Ebene einzieht, ist das zu viel“, so der Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden und künstlerische Leiter der Salzburger Osterfestspiele.
Thielemann weiter: „Richard Strauss hat diese Geschichte rund um Kaiserin und Kaiser, Färber und Färberin, Amme und Geisterbote in der Musik kanalisiert; die Musik sagt hier alles aus.“
Stichwort Musik: Thielemann wird alle Striche aufmachen. Aber: „Das werden Sie gar nicht merken! Es sind nur acht oder neun Minuten mehr Spielzeit.“ Und: Thielemann verwendet die Originalpartitur der von Franz Schalk dirigierten Uraufführung. „Das sind gar nicht so viele Kringel drinnen. Ich kringel ja auch nichts hinein. Das ist quasi eine unbefleckte, reine Partitur.“
Musikalisch sei es die größte Herausforderung, das Orchester zu dosieren. „Man darf nicht zu sehr an der Lautstärke drehen, sonst sind Sie nach dem ersten Akt taub.“ Nachsatz: „Auch die Sängerinnen und Sänger werden nicht brüllen; niemand muss bei Richard Strauss brüllen.“
Einzigartig
Den Wiener Philharmonikern streut Thielemann Rosen. „Natürlich hat Strauss bei all seinen Werken an den Klang der Dresdner und der Wiener gedacht. Beide sind sehr biegsame Orchester mit einem einzigartigen Klang. Ich denke mir bei jeder Probe: Was hätte Strauss denn dazu gesagt?“ Lachend: „Gedutzt hätte er mich vermutlich nicht. Aber der Strauss guckt immer um die Ecke.“
Sich selbst sieht Thielemann als Diener des Komponisten und der Interpreten. „Vor allem für die Sängerinnen ist es ungeheuerlich, was da musikalisch veranstaltet wird. Ich darf mich als Dirigent da keinesfalls in die Musik fallen lassen. Ich bin hier auch ein Wächter über das Ganze. Als Dirigent der Musik ausgeliefert zu sein – das darf man einfach nicht. Denn, so Thielemann: „Kapellmeister ist ein sehr handwerklicher Beruf. Ganz wie ein Fliesenleger. Ich bin bei dieser ,Frau ohne Schatten‘ der Fliesenleger von Strauss.“
Zum Werk selbst meint der Kapellmeister: „Strauss hat hier noch einmal Traditionen auf den Prüfstand gestellt und ist dann andere Wege gegangen. Vergessen wir nicht, dass Strauss und sein genialer Librettist Hugo von Hofmannsthal das Werk gegen Endes des Ersten Weltkriegs verfasst haben. Der Abgesang auf das Kaiserreich, auf die bis dato gültige Weltordnung ist da absolut drinnen.“