Kultur

Die Familie sorgt für Unruhe

Diethard Leopold schlägt vor, große Teile der "Sammlung II" seines Vaters Rudolf der Leopold Stiftung als langfristige Leihgabe zur Verfügung zu stellen – im Gegenzug für eine ausreichende Finanzierung des Museums durch den Bund. Der Psychotherapeut, dessen Zeit im Stiftungsvorstand im Herbst endet, will damit sicherstellen, dass die Familie Leopold involviert bleibt. Für ihn ist die Umwandlung der Stiftung in ein Bundesmuseum zwar kein Tabu, er kann sich aber keine Verbesserung vorstellen. Und er rät, von der Naturalrestitution abzukommen: Vergleiche seien sieben Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes die bessere Lösung.

KURIER: Ihr Vater, der Sammler Rudolf Leopold, starb Ende Juni 2010. Kurz vor seinen Tod nominierte er den Rechtsanwalt Andreas Nödl und Sie in den Vorstand der Stiftung Leopold. Die Funktionsperiode läuft aus. Würden Sie gerne bleiben?

Diethard Leopold: Es stimmt: Im Herbst, nach dem Beschluss des Budgets, werden Nödl und ich unsere Tätigkeit beenden. Ich glaube, dass es für das Leopold Museum sehr von Vorteil ist, dass Familienmitglieder mitwirken – in welcher Position auch immer. Die Familie Leopold sorgt – wie bei einer Analoguhr – für eine Unruhe, eine kreative Unruhe. Das tut auch der Wiener Museumslandschaft gut. Daher hielte ich es für sinnvoll, wenn die Familie – abgesehen von meiner Mutter, die auf Lebenszeit bestellt ist – weiter im Vorstand bleiben könnte. Das sieht auch der Vorstand so, aber die Entscheidung liegt bei den Ministern für Finanzen und Kultur.

Sie haben doch einen Trumpf in Ihrer Hand: Die Sammlung "Leopold II", die Ihr Vater mit dem Geld aus dem Verkauf der "Sammlung I" aufgebaut hat. Sie sollen Kulturminister Josef Ostermayer bereits einen Vorschlag gemacht haben.

Es ging im Gespräch in erster Linie um die Finanzen. Das Leopold Museum bekommt im Vergleich zu anderen Häusern nur eine sehr niedrige Subvention. 2013 erhielt das MAK 9,6 Millionen Euro, das Mumok 8,7 Millionen – und das Leopold Museum 2,7 Millionen. Diese Differenz ist angesichts der Bedeutung und Attraktivität des Museums unverständlich und kontraproduktiv. Wir sind schon seit Jahren an der Grenze des Machbaren angekommen. Wir konnten in den letzten Jahren nur dann halbwegs ausgeglichen bilanzieren, wenn es wirklich publikumsträchtige Ausstellungen wie "Nackte Männer" gab. Es fehlen daher bereits etwa 2,7 Millionen Euro an kumulierten Betriebsabgängen.

Die Stiftung Leopold hat Schulden?

Wir verkauften, wie Sie wissen, 2011 das Schiele-Bild "Häuser mit bunter Wäsche", um die Einigungen in den Streitfällen "Bildnis Wally" und "Häuser am Meer" finanzieren zu können. Es blieb ein Betrag übrig. Und diesen haben wir einstweilen verwendet. Aber das Geld ist natürlich für eventuelle weitere Vergleiche zweckgewidmet. Die Stiftung hat also "Schulden bei sich selbst". Der Bund ist dazu verpflichtet, den Abgang – eine sparsame Verwendung der Mittel vorausgesetzt – zu bedecken. Wir schlagen nun vor, bedeutende Teile der "Sammlung II" als langfristige Leihgabe ins Leopold Museum zu geben, wenn der Bund den Vertrag tatsächlich erfüllt. Und wir würden uns erwarten, dass wir in der Stiftung mitwirken – zum Beispiel im Vorstand. Dabei geht es nicht um mich. Wir denken nicht in Jahren oder Funktionsperioden, sondern in Generationen.

Es sind doch schon jetzt bedeutende Sammlungsteile als Leihgabe im Leopold Museum.

Das ist richtig. Aber es handelt sich um ein ungeregeltes Verhältnis.

Wie groß wäre das Volumen der Leihgabe?

In der Größenordnung von zumindest 100 Millionen Euro, konservativ geschätzt. Dieser hohe Wert entsteht natürlich in erster Linie durch Werke von Egon Schiele. Mein Vater hat sich in seinen letzten 16 Jahren für sehr vieles interessiert: Die Privatsammlung reicht von gotischen Heiligenfigur über Wien um 1900 bis zur zeitgenössischen Kunst.

Wem konkret gehört die "Sammlung II"? Ihrer Mutter?

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Nein, den drei Kindern zu gleichen Teilen, also meiner Schwester, meinem Bruder und mir. Wir haben die Sammlung nach Vorlieben und Werten aufgeteilt; es ist ohne Streit vor sich gegangen. Meine Schwester will sich nicht langfristig binden. Mein Bruder und ich aber würden unsere Teile zur Verfügung stellen und zusichern, aus dem Kernbereich – eben den Werken im Wert von 100 Millionen Euro – nichts zu verkaufen, solange der Leihvertrag läuft.

Was erwarten Sie sich vom Bund?

Die vorige Regierung hat noch eine Erhöhung der Subvention auf 3,3 Millionen beschlossen. Diesen Betrag bekommen wir heuer zum ersten Mal. Allerdings gehen 200.000 Euro davon gleich wieder zurück an den Bund – für die Miete. Wir brauchen zumindest vier Millionen pro Jahr. Da sind wir vergleichsweise immer noch sparsam und könnten dann auch sukzessive die Kredite abbauen.

Musste nicht bereits das Ausstellungsprogramm reduziert werden?

Ja. Und wir müssen auf Leihgaben verzichten. Wir hätten uns für die Ausstellung "Wally Neuzil. Ihr Leben mit Egon Schiele", die am 26. Februar eröffnet wird, gerne ein Bild von der Neuen Galerie in New York ausgeborgt, das die letzte Phase der Beziehung dokumentiert. Aber wir haben dann nicht einmal den Antrag gestellt – aufgrund der hohen Kosten.

Es gibt Spekulationen, wie es mit der Stiftung Leopold weitergehen würde, wenn einmal Ihre Mutter nicht mehr lebt, die nun bald 89 Jahre alt wird. Denn dann sind nur mehr die vier Vertreter des Bundes im Vorstand. Sie könnten die Auflösung der Stiftung beschließen. Mit Ihrem Vorschlag würden Sie dies verunmöglichen.

Darüber zu spekulieren, erübrigt sich, denn es ist juristisch praktisch unmöglich, die Stiftung aufzulösen. Und ich glaube auch nicht, dass es diese Absicht ernsthaft gibt. Persönlich habe ich kein Tabu, auch die Frage Bundesmuseum zu diskutieren, nur: die Marke Leopold, die Sammlung – das sind doch fixe Bestandteile des Kulturlebens geworden. Außerdem stellt sich die Frage, ob bei einer Umstrukturierung das Museum oder der Bund irgendetwas gewinnt. Das Museum zählt laut der Londoner Financial Times zu den 50 besten Museen der Welt, da kann die Rechtsform Stiftung nicht ganz falsch sein.

Im Fall eines Bundesmuseums würde das Kunstrückgabegesetz gelten. Dann wäre man zur Naturalrestitution verpflichtet, gegen die sich die Stiftung vehement wehrt.

Ist nicht unsere Vorgangsweise, faire Lösungen anzustreben, 70 Jahre nach Ende des NS-Regimes, die bessere und verständlichere? Je länger der Holocaust hinter uns liegt, desto weniger gerecht sind Naturalrestitutionen. Und desto besser sind offene Gespräche. Ich finde, dass man in Österreich generell auf diese Linie umschwenken und einen Fonds dafür errichten sollte. Auch wäre dadurch der unwürdigen Forderung nach einem "Schlussstrich" der Boden entzogen. Mir ist natürlich bewusst, dass diese Ansicht für manche ein Tabubruch darstellt. Aber man sah schon am Fall Bloch-Bauer, also im Streit um die "Goldene Adele" von Gustav Klimt, wie schwierig es war, zu einem klaren Ja oder Nein zu kommen. Es brauchte ein Schiedsgericht. Ein Vergleich wäre meiner Meinung nach richtig gewesen. Das Ziel sollte doch sein, dass die Menschen – von Täter- wie Opferseite – miteinander klar kommen.

Gerüchteweise soll Ostermayer vom Leopold Museum aber im Fall Mayländer die Naturalrestitution verlangt haben.

Das kann ich mir nicht vorstellen. Die Idee einer fairen Lösung auf Vergleichsbasis geht davon aus, dass beide Seiten gewillt sind, miteinander zu sprechen. Aber die Vertreter der jüdischen Erbin verweigern uns leider ein Gespräch auf Augenhöhe. Daher ist der Fall noch immer nicht gelöst.

Die Albertina restituierte 2011 aufgrund einer Empfehlung des Rückgabebeirats fünf Schiele-Blätter, die Karl Mayländer gehört hatten. Sie schließen eine Naturalrestitution trotzdem aus?

Wenn man sich den Fall genau ansieht, stellt man fest, dass sogar ein Vergleich ungerecht wäre. Denn der jüdische Eigentümer, Karl Mayländer, schenkte die Blätter seiner nichtjüdischen Freundin Etelka Hofmann.

Unmittelbar vor seiner Deportation ins KZ. Hätte es das NS-Regime nicht gegeben, hätte er die Blätter nicht verschenkt.

Er war viel älter. Und seine Lebensgefährtin – eine Heirat war unter den damaligen Rassengesetzen nicht möglich – war von der Familie akzeptiert. Man kann davon ausgehen, dass sie die Blätter in jedem Fall bekommen hätte. Aber wie auch immer: In Verantwortung für die Geschichte Österreichs bieten wir einen Vergleich an.