Kultur

"Die Präsidentinnen": Ein Klo im Theatermuseum

20 Jahre nach seinem Tod ist der Sprach- und Fäkalwüterich Werner Schwab im Theatermuseum angekommen. Wer hätte das gedacht?

Regisseur Miloš Lolić inszeniert Schwabs Erstling "Die Präsidentinnen" im Wiener Volkstheater so, als wäre es ein ferner Klassiker: Respektvoll, formschön und erstaunlich distanziert. Und auch das Publikum sieht Schwab offenbar inzwischen als interessantes Ausstellungsstück, nicht mehr als großartige Zumutung: Es wird brav gelacht, wenn auch nicht zu viel, manche schütteln den Kopf, aber nicht zu heftig, vor allem wird aufmerksam zugehört. Am Ende gibt es freundlichen Applaus. Nur zwei Zuschauer ergreifen während der 100 pausenlosen Minuten die Flucht, keineswegs türenknallend, sondern höflich und leise, dennoch schickt ihnen Darstellerin Claudia Sabitzer zwei Sätze nach: "Die müssen sicher aufs Klo. Ist aber eh verstopft." Szenenapplaus.

Eindrücke aus "Die Präsidentinnen"

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Zu jung, zu sexy

Ums Klo, buchstäblich und symbolisch, geht es in diesem Text. Um all das Stinkende, das gern in die Unsichtbarkeit hinuntergelassen wird, bis die Rohre verstopfen. Der Stuhlgang einer Gesellschaft: das war Schwabs Thema.

Für die verstopften Klos ist in diesem Stück Mariedl ( Martina Stilp) zuständig: Niemand kann so gut wie sie Toiletten ausräumen, deshalb ist sie fast ein Star, zumal sie sich nicht scheut, mit bloßen Händen zuzugreifen. Als Lohn versteckt ihr der Herr Pfarrer kleine Aufmerksamkeiten im Abflussrohr: Eine Dose Gulasch, eine Flasche Bier, ein Flakon mit Parfüm. Zumindest träumt sie davon.

Der Großteil der Handlung ist geträumt: Erna (Katja Kolm) hat ein fast erotisches Verhältnis zur Sparsamkeit und fantasiert sich eine Beziehung mit dem Fleischhauer herbei, Grete (Sabitzer) sieht sich als Gutsherrin, an der Seite des feschen Freddy. Sie verdrängen ihre Familiengeschichten voller Missbrauch, Gewalt, Enttäuschungen. Im Volkstheater spielt die Handlung nicht mehr in einer verdreckten Wohnküche, sondern gleichzeitig in einem Theater (der Publikumsraum wird vom Bühnenbild gespiegelt, allerdings leer) und in einem Wellness-Center. Alle drei Darstellerinnen spielen brillant, wirken aber auf merkwürdige Weise für die "Präsidentinnen" viel zu jung und in ihrer Unterwäsche zu sexy.

Fazit: Diese Aufführung ist keineswegs schlecht, aber kühl.

KURIER-Wertung: