Kultur

"Die Migrantigen" kommen - Interview mit dem Regisseur

Der österreichische Filmemacher Arman T. Riahi schickt in seinem Spielfilmdebüt "Die Migrantigen" zwei Wiener Vorzeige-Bobos mit Migrationshintergrund auf Selbstfindungsreise. Marko (Aleksandar Petrović) hat serbische Wurzeln und verdient als Werbetexter schlechtes Geld. Und Benny (Faris E. Rahoma), Richter-Sohn mit ägyptischen Wurzeln, ist ein erfolgloser Schauspieler, der es satt hat, aufgrund seines Aussehens immer den Kebabverkäufer oder Drogendealer zu mimen. Beide sind perfekt integriert und haben keinen Bezug mehr zur Kultur und zur Herkunft ihrer Eltern. Als sie sich im fiktiven migrantisch geprägten Grätzel "Rudolfsgrund" die Zeit vertreiben und von einem Fernsehteam entdeckt werden, täuschen sie spaßeshalber vor, arbeitslose Kleinkriminelle mit Migrationshintergrund zu sein – "Omar aus Ägypten" und "Tito aus Jugo". Das Problem: Marko und Benny sind bereits so integriert, dass sie erst wieder lernen müssen, ein "echter" Ausländer zu sein.

Arman T. Riahis erster Langspielfilm, "Die Migrantigen" ist eine über weite Strecken unterhaltsame, dezent überdrehte Komödie – ab 9. Juni im Kino.

KURIER: Der Kinofilm war ursprünglich als Serie angelegt. Warum wurde daraus nichts?
Arman T. Riahi: Die Serie hieß "Neue Wiener" und war für uns nur ein Nährboden für den jetzigen Spielfilm. Wir hatten bereits alle zwölf Folgen geschrieben, vier davon waren abgedreht und es gab schon einen Ausstrahlungstermin auf PULS4. Dann ging die Produktionsfirma Pleite und wir standen alleine da. Die Serie war verloren. Schließlich sind wir auf die Idee gekommen, jenes Thema auf Spielfilmlänge auszubauen, mit dem man als Österreicher mit Migrationshintergrund oft zu kämpfen hat: Ich muss einen auf Ausländer machen, obwohl ich eigentlich der volle Wiener bin.

War es von vornherein klar, dass Sie das Migrationsthema in einer Komödie verhandeln?
Ja, weil es bereits viele Sozialdramen zu diesem Thema gibt. Außerdem lässt sich Kritik an der Gesellschaft, am System immer leichter an den Mann und die Frau bringen, wenn sie in Humor verpackt ist. Denn sagt man jemandem direkt ins Gesicht, dass etwas schlecht ist, entgegnet dieser in den meisten Fällen mit einer Trotzreaktion. Genau das wollte ich verhindern. Mit Schmäh ist es einfacher, die Menschen zum Nachdenken zu bringen.

Was wollen Sie den Menschen mit auf den Weg geben?
Es geht mir um die in Österreich total unterschätzte zweite, dritte Generation, deren Talente manchmal brachliegen. Wo sind die Drehbücher mit Rollen für Menschen mit Migrationshintergrund, die eine gesellschaftlich relevante, vorbildliche Figur verkörpern? Wo sind die Vorbilder in den Medien für sie?

Ist also die Filmszene, in dem Benny (Faris E. Rahoma) beim Casting für einen Film den Klischeeausländer geben muss, die Normalität?
Ja, in Österreich schon. Faris hat schon alle möglichen Migrationshintergründe gespielt, darunter auch einen Kroaten – obwohl er ägyptische Wurzeln hat. Das Einzige, was er so gut wie nie bekommt, ist die Rolle eines Österreichers, obwohl er hier geboren ist. Auch Aleksandar wird hierzulande immer noch oft als Kleinkrimineller mit Migrationshintergrund gecastet. Das Klischee haftet einem an. Für einen Schauspieler ist es hart, wenn einem nur ganz gewisse, sehr beschränkte Parts zugetraut werden.

Welche Fehler wurden in den vergangenen Jahren bei der Integration gemacht?
Das Gros der Menschen mit Migrationshintergrund will ja in die Gesellschaft involviert werden. Da reicht es aber nicht, wenn man ihnen eine Arbeit und eine Wohnung gibt. Es geht vielmehr um soziale Inklusion als Integration. Man darf bei den zukünftigen Migrantengenerationen eben nicht wieder den Fehler machen, dass man sie nicht abholt, ihnen die Freiheiten und Möglichkeiten aufzeigt, die sie in Österreich haben. Viele in Österreich lebende Türken oder Österreicher mit türkischem Migrationshintergrund erster oder zweiter Generation haben für Erdoğans Machtausweitung gestimmt, für eine autokratische Verfassung. Das ist bedenklich – da hat die Integration versagt. Da diese Leute nicht an der österreichischen Gesellschaft teilnehmen, können sie sich auch nicht mit Österreich identifizieren.

Mit dem Film üben Sie auch Kritik an der medialen Berichterstattung zu Migration und Integration.
Die Geschehnisse im Film sind ein Platzhalter für tägliche Situationen, wo unserer Meinung nach die Menschen auf Schlagzeilen reduziert werden. Wir leben in einer Zeit, wo Medien Profit machen müssen. Das ist nichts Neues, kann sich dennoch auf das Bild der Menschen und die Berichterstattung über sie sehr stark auswirken und so das Bild bestimmen, das wir von einer bestimmten Kultur oder Gemeinschaft haben. Die Fernsehsendung, um die es in "Die Migrantigen" geht, steht für Methoden, wie in Redaktionen nach Geschichten gesucht wird. Mich stört, dass alles über einen Kamm geschert wird und der Migrationshintergrund ständig in den Vordergrund gestellt wird.

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Was sagen Sie zum Unwort "Lügenpresse"?
Ich bin ein Verfechter der Pressefreiheit, sie ist eine wesentliche Säule der Demokratie. Die Medien sollen politische Missstände aufzeigen. Da es unter anderem ebendiese Pressefreiheit, dieses Recht auf freie Meinungsäußerung im Iran nicht gibt, sind meine Eltern auch damals mit mir nach Österreich geflohen. Das Wort "Lügenpresse" finde ich eine Frechheit. Das ist ein Angriff der Rechten auf die Menschen, die es wagen, sie zu kritisieren und zu demaskieren. Dem müssen wir entschlossen entgegentreten.

Der fiktive "Rudolfsgrund" ist das Gebiet rund um den Hannovermarkt im 20. Wiener Gemeindebezirk. Warum haben Sie ausgerechnet dort gedreht?
Ich habe den Hannovermarkt deshalb als Schauplatz gewählt, weil er für mich jener Markt in Wien ist, der das multikulturelle Leben am Besten abbildet. Er erinnert mich an meine Jugend im 15. Wiener Gemeindebezirk, wo ich in der Nähe des Schwendermarkts aufgewachsen bin. Damals war dort noch alles dreckiger, rauer und nicht so schön saniert und gentrifiziert wie heute. Am Hannovermarkt ist das noch anders, ehrlicher. Dort hat man noch das Communityfeeling – man versteht sich, egal, woher man kommt.

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