Die im Schatten sieht man doch
Die Wiener Werkstätte (WW), gegründet 1903 von Josef Hoffmann, Koloman Moser und Fritz Waerndorfer, ist nicht länger männlich dominiert. Spät kommt die Erkenntnis, dass der künstlerische Einfluss und die Leistungen der Frauen auf diese Bewegung der Moderne bisher in der Wahrnehmung deutlich unterschätzt wurden.
Insofern ist „Die Frauen der Wiener Werkstätte“ im Museum für angewandte Kunst (MAK) – für Christoph Thun-Hohenstein „ein Schlüsselprojekt meiner Direktionszeit“ – eine Schau gegen Unkenntnis und Vergessen.
Sie sagt uns heute, wer sie waren und gibt den fast 180 im Katalog verzeichneten WW-Künstlerinnen von Martha Alber bis Emmy Zweybrück einen Namen, Daten zu Leben und Werk – und im Idealfall ein Gesicht.
„Weiberwirtschaft“
Ein Aufruf vor zwei Jahren brachte überraschend viele Rückmeldungen, sodass eine Art Enzyklopädie der Frauen der WW entstand, die maßgeblich zu deren Stilbildung beigetragen haben.
Präsentiert werden in einem von Claudia Cavallar mit Holzfaserplatten gestalteten Ambiente mehr als 600 Exponate – großteils aus den eigenen Beständen – mit den Schwerpunkten Mode, Gebrauchsgrafik, Stoffmuster und Keramik.
„Wiener Weiberwirtschaft“ nannte man in gewissen Herrenzirkeln die Wiener Werkstätte despektierlich, „unerhörte Pupperlwirtschaft“ gar. Prompt blieben – von wenigen Ausnahmen abgesehen wie Gudrun Baudisch, Mathilde Flögl und vor allem Vally Wieselthier, die 1928 nach New York ging – die männlichen Kollegen und ihre Arbeiten prominenter im Bewusstsein der damaligen Öffentlichkeit und vor allem der Nachwelt haften.
Während Frauen von Anfang an mit eigenwillig gestalteten Postkarten, außergewöhnlichem Textildesign und expressiver Keramik Look und Image der WW prägten, aber im Hintergrund blieben.
Die ins Licht zu rücken, die bisher im Schatten standen, ihnen Präsenz zu geben, war das Anliegen der langjährigen MAK-Kustodin Elisabeth Schmuttermeier und der Kuratorin Anne-Kathrin Rossberg: „Der rote Teppich ist ausgerollt.“ Zum Beispiel für die Textilkünstlerin Martha Alber: Von ihr stammt das WW-Stoff-Motiv „Blätter“ für jenes Kleidungsstück, das auf Gustav Klimts unvollendetem Porträt von 1917/’18 das Modell Johanna Staude trägt. Eine Bluse aus dem gleichen Stoff ist nun direkt neben dem Gemälde aus dem Belvedere Museum zu sehen.
„Der blaue Engel“
Den Kimono aus Seide, den Marlene Dietrich als laszive Sängerin Lola Lola im Film „Der blaue Engel“ (1929) trug, war eine Kreation von Maria Likarz, die für die WW u. a. Postkartenmotive, Glasdekore, Email- und Holzobjekte und mehr als 200 Stoffmuster entworfen hat.
Spätestens ab 1916 mit der Einrichtung der Künstlerwerkstätte der WW hatten die lange auf das Betätigungsfeld Zierde und Dekor reduzierten Frauen „plötzlich Gestaltungsfreiheiten und Experimentiermöglichkeiten“, so die Kuratorinnen, „ mit denen sie vielleicht selber gar nicht gerechnet hatten.“
Die künstlerische Freiheit fand am Ende nur Grenzen in der wirtschaftlichen Machbarkeit. So entstanden Produkte, deren Herstellungskosten oft in keinem rentablen Verhältnis zu den Verkaufsmöglichkeiten standen. Ein Problem, das der WW 1932 den Bankrott brachte.
www.mak.at
Nicht nur die Museen, auch die Galerien in Wien sind nach der Lockdown-Pause zurück – neben Ausstellungen, die gerade noch zu sehen sind, steht einiges an Neuem an.
Nur noch bis 15. Mai ist die Schau des Kunst-Absolutisten Jonathan Meese in der Galerie Krinzinger zu sehen – die Werkserie „Die Dr. Mabusenlolita“ steht in Beziehung zu Meeses Bearbeitung von Vladimir Nabokovs „Lolita“, deren Aufführung nun für kommende Saison im Wiener Volkstheater geplant ist. Das Theater produziert am 12. 5. auch eine Online-Feier für Joseph Beuys mit Meese.
Ein Faible für Provokation hat auch der Wiener Künstler TOMAK – ab heute, Dienstag bietet ihm die Galerie Petra Seiser in der Wiener Himmelpfortgasse Platz dazu. Unter dem Titel „Daumenschraube“ sind neue Zeichnungen versammelt, in denen der Künstler laut Eigenangabe ausloten will, „welche Chancen der Umwertung die Krise bietet“. Parallel sind Metallobjekte von Nani Hagg ausgestellt, die auf Knochen und Details menschlicher oder tierischer Körper aufbauen.
Organische Formen verarbeitet auch der in Wien lebende Portugiese Hugo Canoilas, der zuletzt den Kapsch-Kunstpreis erhielt. Ergänzend zu seiner Installation im Wiener mumok, wo er ausgehend von Meereslebewesen amorphe Skulpturen aus Glas oder Filz zeigt (bis 20. 6.) präsentiert die Galerie Martin Janda Gemälde und Objekte, deren Verbindung zur Natur mal mehr, mal weniger offensichtlich sind. (hub)