Kultur

Die Geschichte des österreichischen Humors

Man kann dem Österreicher so manches nachsagen, nur eins nicht: humorlos zu sein. Das Lachen ist hierzulande von geradezu existenzieller Bedeutung und die Heiterkeit mit der anderer Völker nicht vergleichbar. Zu den mit einer eigenen Humorbegabung ausgestatteten Österreichern zählen Satiriker, Kabarettisten und Komödianten, aber auch einfache Leute, denen der Schmäh in die Wiege gelegt wurde.

Eine Frau war gestorben. An ihrem offenen Grab stand ihr Gatte neben dem Hausfreund. Der Hausfreund war völlig gebrochen und weinte bitterlich. Da legte der Gatte tröstend seinen Arm um die Schulter des anderen und meinte: "Nimm"s nicht so schwer. Ich werde sicher noch einmal heiraten!"

Wiener Schmäh

Das also ist der Wiener Schmäh. Er kommt – um es ganz offen zu sagen – von überall her, nur nicht aus Wien, wie Hans Weigel, ein Kenner des Heiteren, nachwies: "Der österreichische Komiker Girardi hatte einen italienischen Namen, Nestroy war böhmischen Ursprungs, Ödön von Horvath balkanisch-magyarisch". Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen: Hans Moser, der Julier hieß, hatte französische Ahnen, die von Karl Farkas kamen aus Ungarn, Fritz Grünbaum wurde in Brünn und Paul Hörbiger in Budapest geboren.

Was ist dann das Österreichische am Wiener Schmäh?

Nun, es ist genau diese Mischung, die den Bewohnern des Landes – trotz allem – zu einem so hohen Maß an guter Laune verholfen hat.

 

Nestroy

Den Humor wie wir ihn heute verstehen, gibt es seit ca. 200 Jahren, beginnend mit Nestroy, dessen Satz "Die Phönizier haben das Geld erfunden – aber warum so wenig?" auch in jedem modernen Kabarettprogramm Lacher erzeugen würde. "Der Wiener fällt auf den Schmäh nur selten herein", meinte Wiens Lokalphilosoph Jörg Mauthe, "der Fremde aber mit Sicherheit. Er nennt’s dann Charme."

Zu Österreichs bedeutendsten Satirikern neben Nestroy und Raimund zählen Karl Kraus, Egon Friedell, Alfred Polgar, Fritz Grünbaum, Helmut Qualtinger und Karl Farkas – um mit einer kleinen Auswahl anhand weniger Beispiele zu beginnen.

Karl Kraus:

Der Wiener wird nie untergeh’n, sondern im Gegenteil, immer hinaufgehen und sich’s richten.

Egon Friedell:

Gott nimmt die Welt nicht ernst, sonst hätte er sie nicht schaffen können.

Alfred Polgar:

Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.

Fritz Grünbaum:

Auf einen Mann, der Geschichte macht, kommen gut 1000 Frauen, die Geschichten machen.

Karl Farkas:

Gott hat aus dem Chaos die Welt erschaffen, und wir haben aus der Welt ein Chaos gemacht.

Helmut Qualtinger:

Das Problem für jeden Wiener: Man kann es in Wien nicht aushalten. Aber woanders auch nicht.

Neben diesen und anderen Großen des österreichischen Humors haben sich die "kleinen Leute" ihren eigenen Schmäh geschaffen: den Witz – und mit ihm eine Reihe von Witzfiguren. Da sind einmal die Grafen Bobby und Rudi.

Bobby und Rudi sind zu den Olympischen Spielen geladen. Bobby fragt, während er die Leichtathleten beobachtet: "Sag, verstehst du das, Rudi, warum rennen denn die Leut’ ständig auf dem Platz hintereinander her?

"Natürlich", entgegnet der Freund, "das ist ein Wettrennen. Einer wird der Erste und gewinnt."

"Aha, verstehe", sagt Graf Bobby. "Aber warum rennen dann die anderen?"

Zum ehernen Bestand unter Österreichs Witzfiguren zählt auch die neureiche Frau Pollak, die parvenühaft als Quelle immer wieder neuen Gelächters lebendig bleibt:

"Stellen Sie sich vor, Frau Pollak, in New York wird alle fünf Minuten ein Mann überfahren!"

"Mein Gott, der Arme!"

Lesen Sie am Montag: Farkas & Co oder Das Lachen des Jahrhunderts

Humor aus den 30er-Jahren: "Aber bitte keine Namen!"

In einer Conférence erzählte der Wiener Kabarettist Paul Morgan um 1930 von einer Begegnung mit Herrn Pinkus, den ein Problem plagte, das manch einem auch heute noch bekannt vorkommen wird:

"Sie scheinen ein diskreter Mensch zu sein", sagte Herr Pinkus zu mir, "ich kann Ihnen also anvertrauen, was mir gestern passierte. Ich geh durch die … na, wie heißt die Straße gleich rechts von der …, die parallel zur … Dingsda läuft. Gegenüber liegt der … -platz, wo an der Ecke das Café … Also, wie ich so gehe, begegne ich der kleinen blonden Frau … Wie heißt sie bloß, Sie kennen sie bestimmt. Ihr Mann hat die Lederhandlung in der Dingsstraße, seinen Kompagnon kennen Sie auch … dessen erste Frau war eine geborene … – Herrgott noch einmal, die dicke Frau, sie liegt mir auf der Zunge.

Also, die blonde Frau erzählt mir, ihr Mann wäre verreist nach … wie heißt das Nest da oben bei … Wir unterhalten uns – wer kommt des Weges? Der Herr … dieser lange, magere Mensch … Sie wissen schon, wen ich meine. Nun, der sieht mich mit der kleinen Frau, glaubt Gott weiß was und sagt, er wird’s ihrem Manne schreiben, dem Dingsda, der jetzt in Dings ist. Na, was sagen Sie zu der Gemeinheit, mir solche Dinge zu sagen?"

Zu guter Letzt verabschiedete sich Herr Pinkus von Paul Morgan mit den Worten: "Sie können die Geschichte meinetwegen jedem weitererzählen – aber bitte keine Namen!"

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