Kultur

"Der Gott des Gemetzels": Richtig guter Boulevard

Nicht schon wieder, wird sich so mancher Theaterbesucher denken. Denn nach gefühlten 800 Neuinszenierungen (samt Verfilmung) müsste doch zu Yasmina Rezas Kammerspiel "Der Gott des Gemetzels" endlich alles gesagt sein. Irrtum! Denn im Stadttheater Walfischgasse zeigt Regisseur Werner Schneyder als Erster, was dieses hoch gelobte Kammerspiel eigentlich ist: guter Boulevard mit Untertönen.

Es ist Schneyders größtes Verdienst, dass diese Übernahme von den Komödienspielen Porcia federleicht daherkommt. Schneyder befreit im Wohnzimmer-Bühnenbild (Jan Hax Halama) die nach und nach eskalierende Diskussion zweier Ehepaare über das Fehlverhalten eines der Kinder von jedem Pathos. Ganz nach dem Motto: Was im Stück drinnen ist, zeige ich. Was nicht drinnen ist, kommt auch nicht vor. Eine Wohltat nach diversen bedeutungsschweren Interpretationen an anderen, auch großen Bühnen. Dass bei Schneyder Tempo und Timing stimmen, versteht sich.

Irrwitzige Rasanz

Und so streiten, schreien, schlagen, treten, keifen und kotzen sie munter drauflos, die zwei Ehepaare Reille und Houille. Allianzen werden geschmiedet und wieder gebrochen, Wünsche, Ängste und Wutgefühle feiern fröhlich-lustige Urstände. Denn es darf viel gelacht werden: auch dank der Darsteller. Oliver Baier ist ein großartig zynischer Rechtsverdreher, für den ob der Zerstörung seines Handys wirklich eine Welt zusammenbricht. Alexandra Krismer ist seine sehr gute, nur scheinbar toughe, stets unter Strom stehende Ehefrau. Angelica Ladurner geht als Fleisch gewordener Gutmensch herrlich auf die Nerven, und Reinhardt Winter ist das zu ihr passende Weichei. Gut so.

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