Kultur

Pys Deutung von "Der fliegende Holländer"

Wenn sich kommenden Donnerstag der Vorhang zur Premiere des "Fliegenden Holländers" hebt, ist eines sicher: So hat man Wagner in Wien wohl selten gesehen und gehört. Das hat mehrere Gründe: Erstens dirigiert Mark Minkowski mit dem Ensemble Les Musiciens du Louvre ein Originalklangorchester – bei Wagner eher eine Seltenheit. Zweitens wird in dieser "Holländer"-Version dem Titel-Anti-Helden keine Erlösung zuteil. Und drittens hat Regisseur Olivier Py einen extrem spannenden Regieansatz für die "Holländer"-Urfassung aus 1843 gewählt.

"Bei uns gibt es weniger Boote als vielmehr sehr viel Theater auf der Bühne", sagt der gebürtige Franzose im KURIER-Gespräch. Denn, so Py: "Der zum Herumirren auf den Meeren verdammte Holländer ist ja nur eine Fantasiegestalt, eine Projektion, der ihn erlösen wollenden Senta. Senta wiederum sehe ich als eine Art Alter Ego Wagners, Wie einst Wagner kann auch sie dem bourgeoisen Leben wenig abgewinnen, sie will aus der Enge ihres Daseins ausbrechen. Und welchen Fluchtweg gibt es? Das Theater! Die Frage ist nur: Kann uns das Theater Freiheit bringen? Oder ist auch da alles nur Schimäre?

Faultier

Py, der "nur für das Theater lebt", hat diese Entscheidung für sich jedenfalls schon getroffen. "Eigentlich wollte ich bereits als Kind unbedingt Sänger werden, aber ich war zu faul zum üben. Ich war damals ein richtiges Faultier", schmunzelt Py, der sich auch als Schauspieler, Autor und Intendant des Festivals in Avignon einen Namen gemacht hat. "Also bin ich Regisseur geworden, denn das Theater hat mich niemals losgelassen. Aber ich bewundere alle Sänger aus tiefstem Herzen. Was die Abend für Abend leisten, ist einzigartig. Ich hingegen beschäftige mich lange mit einem Stück, versuche es für die Sänger und für das Publikum verständlich umzusetzen, dann ist Premiere, und ich ziehe weiter zur nächsten Aufgabe", so Py, der "nie ein Werk zwei Mal" inszenieren würde. Denn: "Was einmal getan ist, ist getan."

Wagner liebt Py übrigens seit vielen Jahren. "Im Gegensatz zu den meisten meiner Landsleute sehe ich Wagner nicht als einen martialischen, sondern als einen sehr zärtlichen Komponisten", so Py. "Ein ,Tristan’ oder ein ,Parsifal’ sind Meisterwerke. Der ,Ring des Nibelungen’ sowieso. Ich wurde mehrfach gefragt, ob ich den ,Ring’ inszenieren würde, habe aber immer abgelehnt, weil ich mich noch nicht sicher genug fühlte. Inzwischen allerdings wäre ich dazu bereit. Vielleicht ist das auch eine Frage des Alters", so der 50-Jährige.

Multitalent

Doch Py ist nicht nur ein Mann der Oper. "Ich werde auch das Schreiben nie aufgeben, denn 20 Minuten am Tag finden sich immer. In Wahrheit kann jeder einen Roman schreiben. Man braucht nur eine Idee und ein bisschen Talent. Zeit darf hier keine Ausrede sein", lacht der auch als Travestiekünstler aktive Py.

"Mit der Travestie ist das so eine Sache. Ich habe vor etwa 20 Jahren einen Charakter erfunden, der mich seitdem bei meinen Shows begleitet. Er ist halt nur nicht mehr so jung und sexy wie damals. Aber das versuche ich, in jedes neue Programm einzubauen. 2016 ist es wieder so weit, dann stehe ich in einer neuen Show als dieser Charakter wieder auf der Bühne und versuche, Altersweisheit auszustrahlen. Das wird für das Publikum hoffentlich sehr komisch."

Aktivist

Keinen Spaß versteht Py bei einem anderen Thema. "Seit Jahren engagiere ich mich aktiv gegen jede Art von Extremismus und explizit gegen den Front National. Der Front National breitet sich in Frankreich aus wie ein Krebsgeschwür. Ich weiß nicht, was wir machen würden, sollte diese radikale Bewegung einmal an die Macht kommen. Viel zu viel Einfluss hat der Front National leider jetzt schon. Aber das ist in Europa ja ein generelles Problem. Wir stehen diesen Gruppierungen fast hilflos gegenüber. Aber wir dürfen nicht aufhören, uns zu wehren. Denn wenn diese Populisten eines Tages auf dem ganzen Kontinent das Sagen haben sollten, dann wird das hässlich. Sehr, sehr hässlich."