Kultur

"Der Aufsteiger" - Der Sturz nach oben

Auch im Angesicht echter Trauer muss die Krawatte sitzen. Zumindest bei einem französischen Spitzenpolitiker. Mitten in der Nacht ist er aus dem Bett gesprungen, um zu einem verheerenden Busunglück ins Ardennengebirge zu reisen. Jetzt ist er hier, um als Erster den Betroffenen sein Beileid auszusprechen. Vor laufender Kamera, versteht sich. Und während sich hinter ihm verzweifelte Menschen auf ihre verunglückten Kinder werfen, findet er, der Politiker, die medial wirksamen Worte dazu: „Die Ardenne trägt Trauer.“

Wie schön gesprochen. Und wie einfühlsam. Erst danach,wenn keiner mehr herschaut, übergibt er sich.

Mit dem Busunglück ist der Höhepunkt des Tages für Verkehrsminister Saint-Jean jedoch noch keineswegs erreicht. Kaum hat er die Katastrophe medial halbwegs souverän überstanden, muss er sich mit Angriffen aus der eigenen Partei herumschlagen. Diese will unbedingt die Bahnhöfe privatisieren – gegen seinen Willen.

Der Alltag eines Spitzenpolitikers, so erzählt es der französische Regisseur Pierre Schoeller , besteht in erster Linie aus Schadensbegrenzung und Imagepflege. Umringt von seinen PR-Beratern und Einflüsterern, jagt sein Saint-Jean durch Termine, hetzt von einer Sitzung zur nächsten und versucht, mit den politischen Manövern seiner Umgebung Schritt zu halten.

Das Bemerkenswerte und durchwegs Unterhaltsame in Schoellers hervorragender Politiker-Studie – die übrigens von den belgischen Regisseur-Brüdern Dardenne produziert wurde – ist nicht nur der verbale Schlagabtausch, mit dem sich alle gegenseitig in Schach halten. Es ist auch ein sehr körperlich erzählter Thriller, den Schoeller mit großer Beschleunigung vorantreibt. Ein knalliger, unglaublich effektvoll erzählter Autounfall gibt Saint-Jeans Karriereplan einen neuen Dreh – und macht zuletzt aus einem zumindest halbwegs engagierten Gesinnungsstreber einen machtbewussten Zyniker.

Jedermann

Der Belgier Olivier Gourmet spielt seinen Aufsteiger als einen talentierten Jedermann mit Anfangsschwierigkeiten. Zuerst muss er sich übergeben, verschlucken, husten und würgen. Immer mehr jedoch schmiegt er sich in die barocken Büroräume seiner politischen Klasse hinein.

Schoeller betrachtet dabei den zeitgenössische Politikbetrieb als Maschine mit ihren eigenen Regelwerken. Trotzdem bleibt bei ihm die Macht nicht abstrakt: Vielmehr sitzen im Zentrum immer noch Subjekte, die andauernd ihre Entscheidungen treffen. Und bezeichnenderweise hockt Saint-Jean auch gerade auf dem Klo, als er von seinem neuen Karriereschub erfährt – mit heruntergelassener Hose.

Info: Drama. F/BL 2011. 115 Min. Von Pierre Schoeller; mit Olivier Gourmet, Zambou Breitman.

KURIER-Wertung: **** von *****

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Er selbst wirkt wie ein Mathematikprofessor, nüchtern und streng. „Die Leute lassen sich immer viel zu sehr von der Person blenden“, konstatiert Pierre Schoeller trocken, „dabei sind es das ganze Drumherum, der Prunk des Amtes und die Art, wie jemand in Szene gesetzt wird, die in der Politik zählen.“ Schoeller lässt seinen Transportminister dank geschickter PR von der grauen Maus, die er eigentlich ist, zur neuen Zukunftshoffnung seiner Partei mutieren. Legt ihm mithilfe cleverer Berater die richtigen Worte in den Mund, schafft ein zweites, nur mehr peripher der Wirklichkeit entsprechendes Ich. Der Sekretär oder Pressesprecher des Ministers wird zum unentbehrlichen Alter Ego. Schoeller: „Da steht ein Mann im Scheinwerferlicht, ein zweiter regiert im Schatten. Der eine ist rastlos und darf sich keine Blöße geben, der andere ist der Stratege. Der eine spielt sich, der andere kreiert den Schein. Eine eindeutige Aufgabenverteilung, bei der fast nie der Stratege auf der Strecke bleibt.“

Nicht das Porträt eines Polit-Stars, sondern der Mechanismus der „gnadenlosen Staats-Maschinerie“ habe ihn interessiert: „Ich wollte in die Welt der Mächtigen blicken. Zeigen, dass die Entscheidungsfindung bei wichtigen Themen oft von Zufällen abhängt: von einem kurzen Gespräch auf dem Gang vor dem Büro, von der Begegnung mit einem guten Freund oder dem Druck eines noch mächtigeren Kollegen.“

Thriller

Urteile über die französische Polit-Szene erlaubt sich Schoeller nicht: „Mein Film ideologisiert nicht. Er ist eine Art Thriller mit viel Tempo, das den handelnden Personen kaum Zeit zum Nachdenken lässt.“

Vergnügungspark. Drei Clowns und ein Priester, der aussieht wie Jason Statham. Man ahnt schon, er wird kein Priester bleiben. Luftballons steigen auf – als Signal für einen Überfall auf den Raum, in dem die Einnahmen aufbewahrt werden. Auf der Flucht geraten sich die Gauner in die Haare, „ParkerJason Statham wird totgeglaubt im Straßengraben liegen gelassen. Doch so ein Parker, der hat viele Leben.

Grandios fängt diese klassische Krimiverfilmung an, die einem Antihelden folgt, der zu seiner Zeit der 1960er- Jahre alles andere als klassisch war: Parker heißt der Mann, von Vielschreiber Donald A. Westlake unter dem Pseudonym Richard Stark in 24 Kriminalromanen verewigt. Ein Mann, der nur seinem eigenem Ehrenkodex folgt – und im Namen der eigenen Gesetze raubt, bedroht, tötet. Jean Luc Godard verfilmte Parker als Erster („Made in U.S.A.“, 1966), es folgte John Boormans „Point Blank“ (1973). Bei Regieveteran Taylor Hackman („Ein Offizier und ein Gentleman“) darf Parker nun erstmals Parker heißen und als solcher seinen Rachefeldzug führen. Action-Star Jason Statham spielt ihn mit einsilbiger Eleganz, Ironie, maskuliner Härte – und einer beherzten Jennifer Lopez zur Seite.

Info: Krimi. USA 2012. 118 Min. Von Taylor Hackman; mit Jason Statham, Jennifer Lopez.

KURIER-Wertung: **** von *****

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Das Leben in Schweden kann ganz schön düster sein – das weiß man mittlerweile aus zahlreichen Krimis und Vampirfilmen. Auch „Corridor“, der Debütfilm von Johan Lundborg und Johan Storm, setzt auf psychologischen Schrecken in einem beklemmenden Wohnbau aus den 70ern.

Im Zentrum steht Frank, ein etwas muffiger Medizinstudent, der die Bekanntschaft seiner aufdringlichen Nachbarin Lotte macht. Deren Liebesleben vermittelt sich ihm akustisch durch die Wände und hindert ihn schwer am Studieren. Außerdem ist Micke, der Freund der Frau, ausgesprochen gewalttätig. Die Lage spitzt sich zu, und Frank fürchtet bald um sein und Lottes Leben.

Gerade in den kleinen, alltäglichen Details wie Kaffeekochen oder Türenöffnen gelingen Lundborg und Storm immer wieder atmosphärisch dichte Spannungsmomente, die sie über den gesamten Handlungsbogen allerdings nicht durchhalten können. Auch, dass in der deutschen Synchronisation alle so sprechen, als wären sie gerade aus dem Tiefschlaf erwacht, ist schwer gewöhnungsbedürftig.

Info: Psychothriller. S 2010. 80 Min. Von Johan Lundborg und Johan Storm; mit Peter Stromare, Emil Johnsen.

KURIER-Wertung: *** von *****

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Til Schweiger lässt sich nicht gerne kritisieren und zeigte seine Komödie über eine Patchwork-Familie vor Filmstart nicht her. Daher muss sich jeder selbst ein Bild machen – auf eigenes Risiko.

Info: Komödie. D 2013. 110 Min. Von und mit Til Schweiger, Emma Schweiger, Jasmin Gerat, Julia Jentsch.

KURIER-Wertung: keine Wertung

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