Das Comeback von Philip K. Dick
Von Bernhard Praschl
Los Angeles, November 2019.
Und heute? Heute steht das damals noch so ferne Jahr 2019 unmittelbar bevor – ebenso wie die Fortsetzung des damaligen Science-Fiction-Hits. Der Kinostart von „Blade Runner 2049“ ist für diesen Oktober geplant. Erneut mit Harrison Ford in der Rolle des titelgebenden Blade Runners Rick Deckard. Und mit Ryan Gosling als kafkaesken Officer K.
Blade Runner 2049
Philip K. Dick hätte das sicher gerne miterlebt. Ebenso die späte Anerkennung für sein Werk. Insgesamt über 120 Kurzgeschichten hat er hinterlassen. Und mehr als vierzig Romane. Bekannte wie „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ – „Blade Runner“ basiert darauf – und verkannte wie „Das Orakel vom Berge“, das als „The Man In The High Castle“ gerade auf Amazon Prime für Furore sorgt. Bei „Blade Runner 2049“ ist wieder Ridley Scott, immerhin bereits 79 Jahre alt, mit an Bord sowie die mittlerweile erwachsenen Kinder von Philip K. Dick: die Töchter Isa Hackett und Laura Leslie sowie Sohn Christopher.
Allesamt zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt, haben sie sich nun schon ihr halbes Leben der Aufgabe verschrieben, ihrem Vater zu jener Bedeutung zu verhelfen, die er verdient. Operation gelungen. Ihre sinnigerweise „Electric Shepherd“ (dt. „Der elektrische Schäfer“) genannte Produktionsfirma hat bereits dem autobiografischen Roman „A Scanner Darkly“ zur Leinwandpräsenz verholfen.
Dick ist aktueller denn je
Auch bei der TV-Verfilmung des schon 1962 erschienenen Romans „The Man in the High Castle“ haben sie ihre Hände im Spiel. Von dieser dunklen alternativen Weltgeschichte, in der die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg als Verlierer dastehen, und Nazi-Deutschland und Japan die Vereinigten Staaten unter sich aufteilen, wird bereits die dritte Staffel produziert. Ein Erfolg, den sich der Autor dieses irren Szenarios selbst in seinen wildesten Träumen nicht auszumalen gewagt hätte. Dabei hat der posthume Philip-K.-Dick-Boom gerade erst so richtig angefangen. Als Nächstes sollen die Romane „Ubik“, „The Crawlers“/„Die Kriecher““ und „Now Wait for Last Year“/„Warte auf das letzte Jahr“ verfilmt werden.
Das ist aber noch nicht alles. Channel 4 und Sony produzieren gemeinsam eine zehnteilige Serie mit dem Titel „Electric Dreams: The World of Philip K. Dick“. Dafür sollen die besten seiner zahlreichen Kurzgeschichten verfilmt werden. Mit Bryan Cranston („Breaking Bad“) wurde dafür auch ein Star und Emmy-Gewinner unter Vertrag genommen.
Mr. Paperback Writer
Und warum das Ganze ausgerechnet jetzt? Die Ironie der Geschichte ist, dass Dick seiner Zeit so weit voraus war, dass seine ständig wiederkehrenden Themen uns offenbar erst seit Kurzem so richtig unter die Haut gehen: Überwachung, Verfolgung, Paranoia, Macht, Kontrolle, die Grenzen der Realität und die Fragen nach Parallelwelten oder der echten Identität in einer künstlichen Welt.
Vor zehn Jahren wurde Philip K. Dick als erster Science-Fiction-Autor überhaupt in die „Library of America“ aufgenommen. Namen wie Mark Twain, F. Scott Fitzgerald und John Updike finden sich darin, sowie – seit 2016 – die 87-jährige Großmeisterin der Science Fiction, Ursula K. La Guin („Winterplanet“). Interessant dabei: Ursula K. und Philip K. liefen einander vielleicht sogar über den Weg.
1947 besuchten beide die Berkeley High School. „Aber da waren über 3.000 Schüler“, erklärt die Autorin entschuldigend, warum sie ihn nie kennenlernte. „Sein Name tauchte zwar im Jahrbuch auf, aber es gab kein Foto dazu – das passte zu ihm.“ Dabei hätten einander die zwei sicher viel zu erzählen gehabt.
Im Vorjahr erwähnte Tessa B. Dick, seine fünfte und letzte Ehefrau, dass ihr ständig schreibender Ehemann für die Beatles die Inspiration für den Song "Paperback Writer" war. Für John Lennon war er der „Paperback Writer“. Aber wer war Philip K. Dick wirklich?
Mystery Man
"Sieben erdähnliche Planeten entdeckt“; „Fremde Arten weiter auf dem Vormarsch“; Oder: „Emirate wollen Siedlung auf dem Mars bauen“. Die einschlägigen Schlagzeilen der letzten Tage hätten Philip K. Dick gut gefallen. Sehr gut sogar. Denn für Mysteriöses war der Mann immer zu haben.
Geboren in Chicago am 16. Dezember 1928, bekam er die Härten des Lebens von Anfang an zu spüren. Seine Eltern hatten zwar beide sichere Jobs im Staatsdienst, seine Zwillingsschwester starb dennoch wenige Wochen nach der Geburt an Unterernährung. Das Thema eines „Phantomzwillings“ sollte später wiederholt in einigen Texten auftauchen.
Ab 1939 lebte Philip mit seiner Mutter in Kalifornien, sein Vater hatte sich da schon von der Familie getrennt. Als Teenager schrieb er Gedichte und holprige Kurzgeschichten, das Übliche halt. Nach dem Abschluss der High School 1948 heiratete er. Die Ehe hielt aber nur sechs Monate. Dann angelte sich Philip die Traumjobs der Fifties: Verkäufer in einem Plattengeschäft und Radiomoderator (für klassische Musik).
Der Workaholic