Kultur

Daniel Brühl: Endlich einmal nicht der Nette sein

Sogar das Österreichisch hat er zielgenau hinbekommen: Daniel Brühl verkörpert Formel-1-Weltmeister Niki Lauda und durchlebt noch einmal das Duell mit dem Briten James Hunt (Chris Hemsworth) und die dramatischen Ereignisse auf dem Nürburgring 1976. "Rush" startet am Donnerstag in den Kinos.

KURIER: Herr Brühl, Sie sehen Niki Lauda in „Rush“ unglaublich ähnlich. Haben die Amerikaner auch gleich erkannt, dass Sie der einzig richtige sind?

Daniel Brühl: Peter Morgan und einer der Produzenten hatten mich schon früh auf einer Liste. Dann rief mich meine Agentur an und sagte: "Es kommt ein Drehbuch, lies es mal auf die Rolle Niki hin." Da hab ich noch gelacht und gemeint: "Aber nicht Niki Lauda, oder?" Als dann die Antwort ja war, dachte ich: "Oh Gott, das kann ich unmöglich spielen." Allerdings war ich dann von dem Drehbuch so begeistert, dass ich für die Rolle kämpfen wollte. Ron Howard hat Niki Lauda bereits nach dem ersten Gespräch in mir gesehen, was mich extrem gefreut hat. Und dann habe ich mich in die Arbeit gestürzt.

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Wie haben Sie sich vorbereitet?
Lang, weil ich nicht viel mit Niki Lauda gemein habe und mir alles fremd war. Das Österreichische, aber auch die Rennwelt – das war alles Neuland. Gleich nach dem Angebot belegte ich einen Formel-3-Kurs, um Erfahrungen beim Rennfahren zu sammeln. Und dann habe ich einen Monat in Wien bei einer Schauspiellehrerin Unterricht genommen. Die hat mir das Leben gerettet.

Wie wichtig war Ihnen der Dialekt? Für ein US-Publikum spielt das ja keine Rolle.
Mir war es ganz wichtig, das Österreichische richtig hinzukriegen nicht nur wegen der deutschsprachigen Zuseher, sondern auch für mich. Ron Howard als Amerikaner hat den sprachlichen Unterschied nicht gehört. Für mich spiegelt der österreichische Akzent eine Haltung wider. Im österreichischen Dialekt ist mehr Witz, mehr Ironie und hie und da auch mehr Arroganz und Selbstbewusstsein als in unserem neutraleren, langweiligeren deutschen Akzent. Das ist einfach so. Aber diese Sprachmelodie glaubwürdig hinzukriegen ist nicht leicht. Ich habe gehofft, dass Niki persönlich anruft und dass wir ein gutes Verhältnis zu einander aufbauen. Ich hatte so viele Fragen...

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Und wie verlief die erste Begegnung mit ihm?
Er war sehr direkt, obwohl Niki Lauda unlängst zu mir meinte, so unfreundlich sei er ja gar nicht gewesen. Aber tatsächlich war er ziemlich unmissverständlich und meinte: "Bring nur Handgepäck mit, und wenn wir uns nicht verstehen, kannst du gleich wieder abhauen." Ich finde, das ist eine relativ undiplomatische Ansage, anders kann man das nicht nennen(lacht).
Dann bin ich mit meinem kleinen Beutelchen nervös nach Wien geflogen. Bei unseren ersten Begegnung huschte nach fünf Minuten ein Lächeln über sein Gesicht – und da hatte ich das Gefühl, dass er mich mag. Ich hab schnell gemerkt, ich kann ihn alles fragen.

Worüber haben Sie sich unterhalten?
Wir haben über Todesnähe gesprochen, über Ängste, über Eitelkeiten... er war extrem offen. Auch am Drehort konnten wir ihn ständig anrufen, wenn wir ein Problem hatten. Es gab zum Beispiel ein Schimpfwort im Drehbuch, das mir als zu harmlos erschien. Dann hab ich Niki um sieben Uhr früh angerufen und er schickte mir gleich eine Liste mit herrlichen Schimpfwörtern. Er hat uns natürlich auch viele Formel-1-Fragen beantwortet, beispielsweise was Rennabläufe und dergleichen angeht. Ron Howard wollte möglichst akkurat arbeiten.

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Als Niki Lauda sind Sie, zumindest zu Beginn, denkbar unsympathisch. Sie gehen herum, beschimpfen jeden als Arschloch – wie war das für Sie?
Großartig. Der Eindruck, dass ich der netteste Mensch der Welt bin, hat sich eh so wacker gehalten – vor allem in Deutschland. Und das bin ich nicht, ehrlich gesagt. Ich habe mich schon darüber zu ärgern begonnen, dass nie andere Rollen daher kommen. Erst in den letzten ein, zwei Jahren hat sich das geändert. Ich weiß nicht, woran das liegt – aber vielleicht hat das auch mit dem Alter zu tun. Jetzt werden mir plötzlich viel interessantere Geschichten angeboten.

Die Figur ändert sich ja auch während des Films...
Es war mir wichtig, ihn gegen Ende hin emotional und durchlässiger zu spielen, und nicht nur so hart und trocken wie am Anfang. Zum Schluß hat man als Zuschauer ja auch Empathie für beide Figuren – für Lauda und für Hunt. Niki selber kam neulich zu mir und fragte: "War ich wirklich so ein Arschloch?" Ich fand das hinreißend und meinte: "Nein, Niki. Ein bissl, vielleicht." (lacht).

Nehmen Sie sich persönlich etwas von der Rolle mit?
Ich will mir generell ein Scheibchen von Niki abschneiden, gerade was Geradlinigkeit und Ehrlichkeit angeht. Wie er Konflikten direkt begegnet und den Leuten die Wahrheit ins Gesicht sagt – das hat schon etwas Bewundernswertes. Ich selbst laviere häufig zu lange herum, versuche, mich aus Konflikten heraus zu mogeln und Sachen nicht direkt anzusprechen. Das kostet manchmal extrem viel Kraft, Energie und Zeit. Niki ist einfach gerade heraus, und das hat manchmal auch etwas Charmantes und Witziges. Ich habe Peter Morgan gefragt, ob mich die Zuschauer wohl irgendwie auch mögen würden, und er meinte: Ja. Denn das hat ja auch etwas Lustiges, wenn einem jemand so vor den Latz haut.

Sie mussten Sich für die Rolle stark verändern – teilweise nicht zum Vorteil. Kämpft man da manchmal mit der Eitelkeit?
Ich habe die Lauda-Figur geliebt, ehrlich gesagt. Auch deswegen, weil ich als Deutscher einfach mehr Bezug zu ihm als zu James Hunt hatte. Aber Ron Howard fragte mich beim Casting, ob ich als Schauspieler ein Eitelkeitsproblem damit hätte, mich zu verwandeln. Aber das hatte ich überhaupt nicht. Ich war zu allem bereit, einfach, weil ich die Rolle so fantastisch fand.

Es gab also keine Momente, wo Sie lieber die Rolle des lockeren Playboys James Hunt gespielt hätten?
Natürlich, wenn man um drei Uhr morgens abgeholt wird, damit man sechs Stunden eine Maske bekommt, während der Kollege, der James Hunt spielt, erst um zehn drankommt; und wenn der dann gleich in der ersten Szene eine hübsche Krankenschwester abknutscht und in der zweiten Szene mit der Stewardess auf der Toilette Liebe macht, während man selbst eine Szene spielt, in der man die Reifen checkt … das waren schon so Momente… (lacht). Aber ansonsten ging’s.

"Für einen Deutschen bist du ja ganz schön witzig"


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In den USA haben Sie ja schon öfter unsympathische Rollen gespielt, wie beispielsweise auch in „Inglourious Basterds“ . Was haben Sie dort für ein Image?
Schwer zu sagen. Aber ich bin unlängst erstmals in einer TV-Show mit Whoopie Goldberg aufgetreten und die sagte nachher zu mir: "Für einen Deutschen bist du ja ganz schön witzig." Das war wohl ein großes Kompliment.
Allgemein bin ich über den positiven Trend glücklich, dass wir Schauspieler aus Europa die Chance bekommen, große, tolle Rollen in amerikanischen Filmen zu spielen. Vor fünfzehn Jahren hätten sie für die Rolle von Lauda noch einen Amerikaner genommen. Der Trend geht jetzt doch dahin, Schauspieler aus dem Original-Land zu besetzen. Quentin Tarantino ist da ein gutes Beispiel: Viele Stars waren daran interessiert, die Rolle von Christoph Waltz zu spielen, aber Tarantino wollte unbedingt Waltz. Und das war die beste Wahl. Hoffentlich bleibt das auch in Zukunft so.

Zu Ihren großen frühen Rollen zählen die Arbeiten mit dem österreichischen Regisseur Hans Weingartner mit "Das große Rauschen" und "Die fetten Jahre sind vorbei". Verfolgen Sie das österreichische Kino?
Ja, und es ärgert mich total, dass dieses kleine Land so viele gute Filme macht (lacht). Deutschland ist ja im Vergleich ein Riesenland, aber das, was die Österreicher machen, finde ich teilweise spannender – das muss ich ehrlich sagen. Es ist oft einfach couragierter, extremer und cineastisch besser. Es ist schon erstaunlich, dass so ein kleines Land so viele großartige Regisseure und Schauspieler hat und auch im Geschichten erzählen konsequenter ist. Und was den Humor betrifft, stehen die Österreicher den Briten viel näher als uns.

Der Rausch der Geschwindigkeit, der Kitzel der Todesnähe, die Bewunderung der Fans – kaum eine Sportart ist so von Adrenalin durchsetzt wie der Motorsport. Und kaum ein Rennfahrer gab auch abseits der Rennbahn so kompromisslos Gas wie James Hunt. Mit "Rush" wurde der erbitterte Konkurrenzkampf des exaltierten Briten mit seinem großen Rivalen Niki Lauda verfilmt – und lässt die glamourösen, gefährlichen Zeiten der Formel 1 in den Siebzigern neu aufleben.