Kultur

Crossing Europe startet mit Doku von der ukrainischen "Eastern Front"

Der Krieg in der Ukraine sowie an anderen Orten ist erwartungsgemäß ein zentrales Thema des Filmfestivals "Crossing Europe" von 26. April bis 1. Mai in Linz. Unter ihnen sticht die bereits bei der Berlinale präsentierte Doku "Eastern Front" von Vitaly Mansky und Yevhen Titarenko hervor. Titarenko schloss sich mit der Kamera für mehrere Monate einer Gruppe von Rettungssanitätern an, die Verwundete an der ukrainisch-russischen Front bergen.

Vitaly Mansky, der auch in der Wettbewerbsjury von Crossing Europe sitzt, ist ein ukrainischstämmiger russischer Dokumentarfilmer, der sich unter Präsident Wladimir Putin zunehmend vom Regime distanzierte und seit der Annexion der Krim in Lettland lebt und arbeitet. Neben "Eastern Front" sind zur Festival-Eröffnung auch der Berlinale-Beitrag von Estibaliz Urresola Solaguren "20.000 especies de abejas/20.000 species of bees", dessen achtjährige Hauptdarstellerin Sofia Otero für ihre Leistung einen Silbernen Bären erhielt, das Drama "A Blast" von Sylla Tzoumerka über die Auswirkungen der griechischen Finanzkrise der 2010er-Jahre mit Tribute-Gast Angeliki Papoulia und in der Nachtschicht "Svetlonoc/Nightsiren", in dem Tereza Nvotova das klassische Hexennarrativ im Kontext patriarchalischer Strukturen und Misogynie aufbricht, zu sehen.

Die anderen Filme zum Thema Ukraine-Krieg sind - im Gegensatz zu "Eastern Front" - wegen der Vorlaufzeiten bereits vor dem russischen Überfall auf das Land im Februar 2022 entstanden, wohl aber unter dem Eindruck der Annexion der Krim und der Kämpfe im Donbass. Der Spielfilm "Butterfly Vision" des ukrainischen Regisseurs Maksym Nakonechnyi etwa hat das Thema der sexuellen Gewalt im Krieg zum Inhalt und erzählt die Geschichte einer ukrainischen Soldatin, die nach ihrem Einsatz im Donbass in Kriegsgefangenschaft gerät. Protagonisten der Doku "We will not fade away" von Alisa Kovalenko sind Jugendliche aus dem Donbass, der Film widmet sich ihren Zukunftsängsten. Und im Zentrum von "The Hamlet Syndrom" von Elwira Niewiera und Piotr Rosołowski stehen eine Gruppe ukrainischer Nachwuchsschauspieler und existenzielle Fragen ihrer Generation nach den Maidan-Protesten.

Traditionelle Fixstarter auf der Themenliste von Crossing Europe sind Erwachsenwerden und das Leben junger Leute in Europa, Migration und Heimat, LGBTIQ+ und Identität sowie mittlerweile auch der Klimawandel. Mit letzterem befasst sich die Dystopie "White Plastic Sky" von Tibor Bánóczki und Sarolta Szabó, in der Budapest auf einer ansonsten völlig unbewohnbaren Erde dank einer Glaskuppel intakt bleibt - mehr oder weniger, denn das Dasein als letzte Insel der Seligen fordert einen grausamen Preis. Die Dokumentation "Tara" von Volker Sattel und Francesca Bertin stellt den gleichnamigen Fluss in Apulien in den Fokus - das augenscheinlich idyllische Gewässer, in dem die Einheimischen so gerne baden und dessen Wasser heilende Wirkung nachgesagt wird, ist durch Industrialisierung ohne Rücksicht auf die Natur ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Doku "The Visitors" von Veronika Lišková begleitet eine Wissenschafterin nach Spitzbergen und thematisiert dort die Verletzlichkeit von Ökosystemen.

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Die beiden letztgenannten Filme sind auch Teil der traditionellen Programmschiene "Architektur und Gesellschaft", die heuer unter dem Motto "Ganz schön hässlich" läuft. Ungeliebte brachial-architektonische Bauten in Birmingham und Wien stehen im Zentrum von "Paradise Lost: History in the Unmaking" von Andy Howlet sowie des österreichischen Kurzdokumentarfilms "Bernoullistraße 1". In "The Islanders" von Adam W. Pugliese und Maxime Faure geht es um die Bewohner einer sozialen Wohnsiedlung im französischen Bonneville, deren Wohnraum von Abriss bedroht ist.

In der Schiene Arbeitswelten, die unter dem Titel "Kunst ist auch nur ein Job" steht, sticht die Dokumentation "Daniel Richter" hervor. Filmemacher Pepe Danquart durfte den Star der zeitgenössischen abstrakten Malerei, dessen Werdegang mit Punk-Plattencovern begann und bis in die renommiertesten Auktionshäuser führte, einige Jahre begleiten und lässt den Künstler in der Doku ausführlich selbst zu Wort kommen. "Wanderjahre" ("She Chef") von Melanie Liebheit und Gereon Wetzel begleitet eine österreichische Köchin, die sich in die Welt aufmacht, um in der männerdominierten Spitzengastronomie zu reüssieren, was sich als Herausforderung entpuppt.

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Neben den Dokus "Daniel Richter" und "She Chef" sowie dem Eröffnungsfilm "20.000 Species of Bees" von Estibaliz Urresola Solaguren werden auch der Ethikthriller "Das Lehrerzimmer" von İlker Çatak, das moderne Märchen "The five devils" von Léa Mysius, Giacomo Abbruzzeses "Disco Boy" mit Franz Rogowski und "Human Flowers of Flesh" von Helena Wittmann über eine Segelreise über das Mittelmeer einen Kinostart in Österreich haben.