Kultur

Comeback von Blur: Hongkong machte aus Rivalen Freunde

Noch Mitte vorigen Jahres war sich Blur-Sänger Damon Albarn sicher: "Es ist unwahrscheinlich, dass es nach ,Under The Westway‘ weitere neue Blur-Songs geben wird."

Die legendäre Brit-Pop-Band hatte diesen Song anlässlich ihres Auftritts bei der Schlusszeremonie der Olympischen Spiele in London veröffentlicht. Ein Jahr später waren Blur zwar für fünf Tage in einem Studio in Hongkong gewesen. Doch darauf angesprochen, sagte Albarn – mit seinem Solo-Album und dem Schreiben einer Oper voll ausgelastet – noch Mitte vorigen Jahres: "Nur weil man 15 Ideen aufgenommen hat, heißt das noch nicht, dass man ein Album hat."

Freitag erscheint es jetzt doch: "The Magic Whip" – basierend auf den Jam-Sessions von Hongkong. Das ist, wie Albarn dem britischen Musikmagazin Mojo erklärte, "nur einer Reihe günstiger Umstände zu verdanken."

Der Wichtigste: Im September 2014 bot Gitarrist Graham Coxon Albarn an, mit Produzent Stephen Street ins Studio zu gehen und die Hongkong-Tapes zu bearbeiten.

Leidenschaftlich

Jahrelang waren Coxon und Albarn mehr Kontrahenten als Freunde gewesen. Speziell, nachdem Coxon 2003 ausgestiegen war, weil ihn die Band in der schwierigen Phase nach seinem Alkohol-Entzug im Studio nicht mehr dabeihaben wollte.

"Damon und ich waren Rivalen geworden", erinnert sich Coxon. "Aber damals war Blur alles, was wir hatten. Deshalb waren wir so leidenschaftlich, so willig zu kämpfen. Jetzt haben wir uns ein Leben außerhalb der Band aufgebaut und sehen alles viel entspannter. Das Angebot, die Hongkong-Tapes zu bearbeiten, war meine Art, ,Sorry‘ zu sagen."

Albarn war auch sofort begeistert von der Idee: "Emotional lief es zwischen uns so unproblematisch wie seit den Aufnahmen zu ,Parklife‘ nicht mehr. Ich fand süß, dass er Zeit in Blur investieren wollte."

Nervös waren sie trotzdem beide, als Albarn sich die fertigen Songs anhörte. "Graham und ich hielten uns dabei an den Händen,weil das so wichtig für uns war", erinnert sich Albarn. "Aber ich konnte gar nicht anders: Ich musste diese Songs lieben." So flog Albarn nach Weihnachten noch einmal nach Hongkong, um dort die 2013 assoziativ eingesungenen Texte zu vervollständigen. Zurück kam er mit Liedern über seine Freundschaft zu Coxon, aber auch das Regime in China.

Ist "The Magic Whip" ein Neustart für Blur? "Ich würde sagen, Nein", grinst Albarn. "Aber ich bin bekannt dafür, eines zu sagen und etwas anderes zu tun."

Fans der Band werden in "The Magic Whip" viele Phasen der Blur-Karriere wiedererkennen.

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Es gibt das geradlinige rockende "I Broadcast" aber auch viel sphärisches wie "Thought I was A Spaceman". Die Arrangements sind komplex aufgebaut, experimentell und von schrägen Geräuschen durchzogen. Aber all das steht nie im Vordergrund, dient stets nur der Atmosphäre des Songs. So ist "The Magic Whip" ein Pop-Album, wie man es sich wünscht: Genauso reich an Ideen und Varianten, wie an feinen Melodien und einfühlsamen Texten.

KURIER-Wertung: