Cerha: Ehrung für Doyen der Komponisten
Der 86-jährige Friedrich Cerha, Komponist, Dirigent und Doyen der österreichischen Avantgarde, erhielt am Freitag in München den Ernst-von-Siemens-Musikpreis. Dieser ist mit 200.000 Euro dotiert und zählt zu den bedeutendsten Auszeichnungen im Bereich der klassischen Musik. Den seit 1974 vergebenen Preis haben u. a. Benjamin Britten, Herbert von Karajan, Leonard Bernstein, György Ligeti und Nikolaus Harnoncourt erhalten. Cerha, weltbekannt von Komponist des "Baal" und Vollender von Bergs "Lulu", hat zuletzt die komische Oper "Der Präsident" geschrieben, die im Juni 2013 im Münchener Prinzregententheater uraufgeführt wird.
"Ein Vorbild"
"Ein Vorbild" sei Cerha, nicht nur in seinem Umgang mit dem Alter - "was für eine aufrechte Haltung, was für eine Gelassenheit, vor allem: was für ein Wille, einfach voranzuschreiten und weiterzumachen". Auch schon früher, etwa bei seinen Studien in Darmstadt, wo er sich gegen die strukturelle Doktrin seiner Lehrer wandte, stets "auf Zusammenhänge, auf Verläufe, letztlich auf Expression" zielte, "auf jene Sinnlichkeit also, ohne die es für ihn keine Musik gibt". Nicht zuletzt habe er mit der Gründung des Ensembles "die reihe", "die er gegen massive Widerstände und selbst um den Preis, sich von behördlicher Seite mit einem Würstelverkäufer verglichen zu sehen, durchgesetzt hat, Pionierarbeit geleistet".
Über den "Spiegel", die "Lulu" und "Baal" zeichnete der Laudator von Partitur zu Partitur die "kämpferische Natur", die "geschmeidige Lineatur seiner Vokallinien" und die "ganz eigene Art der Empathie, eine Kraft der Anverwandlung" im Schaffen des Komponisten nach. Im Kuratorium der Musikstiftung hatte Wolfgang Rihm seinen Komponistenkollegen ebenfalls gewürdigt: "Durch sein Wirken als Komponist, Ensembleleiter und Lehrer hat Friedrich Cerha in sehr modernefeindlichen Zeiten in Wien erreicht, dass die avancierte zeitgenössische Musik dort nicht völlig aus dem Bewusstsein der musikinteressierten Öffentlichkeit verschwand."
Cerha gelassen
Cerha selbst hatte sich im Interview mit der Austria Presse Agentur angesichts der renommierten Auszeichnung gelassen gezeigt: "Ich war durch meine Entwicklung unter dem Ständestaat und später im Nationalsozialismus gezwungen, in mir selbst gefestigt zu sein", sagte der Komponist. "Daher haben mich sowohl die positiven wie die negativen Einstellungen der Öffentlichkeit mir gegenüber gewissermaßen unberührt gelassen. Ich kann Stellungnahmen jedweder Art gelassen entgegennehmen. Und das tue ich jetzt auch mit diesem Preis. Auch wenn er wirklich eine große Bedeutung hat, wenn man sich die Liste der bisherigen Preisträger ansieht..." In einer ersten Reaktion auf die Zuerkennung hatte Cerha erklärt: "In der Liste der Ernst von Siemens Musikpreisträger, dieser - wie Thomas Bernhard sagen würde - `Geistesheroen unserer Zeit` zu stehen, ehrt mich sehr."
Bei dem musikalischen Festakt im Münchner Cuvillies-Theater wurden auch die Förderpreise für junge Komponisten vergeben. Sie gehen an den Briten Luke Bedford, an Zeynep Gedizlioglu aus der Türkei und an den Deutschen Ulrich Alexander Kreppein. Mit weiteren rund 2,4 Millionen Euro unterstützt die Stiftung mehr als 140 zeitgenössische Musikprojekte in aller Welt, darunter Konzerte, Kompositionsaufträge, Wettbewerbe und Akademien. Die Ernst von Siemens Stiftung verleiht den Preis. Das Geld stammt aus dem privaten Vermögen ihres Gründers.