Kultur

CD der Woche: Der heitere Blues der Wilson

Jazzsängerin Cassandra Wilson gibt sich erstaunlich unjazzig. Mit eigenen Songs und "O Sole mio". Schon bevor Norah Jones auf die Idee kam, angeblueste Folk-Stücke mit einem milden Jazz-Timbre zu singen, hat dieses Feld die rauchige Alt-Stimme von Cassandra Wilson beackert:
Das Time Magazine adelte sie bereits zur Jahrtausendwende zur "Besten Sängerin Amerikas".

Das Musik-Spektrum der zweifachen Grammy- und Echo-Jazz-Preisträgerin von 2012 reicht von Jazz und Blues bis zu Funk, Pop und Bossa Nova. Sie hat mit ihrer dunklen, geerdeten, leicht erotischen Stimme Stücke von Miles Davis ebenso interpretiert wie Songs von U2, Van Morrison, Sting und sogar Cindy Lauper.

Folk, Jazz, Blues

Nach ihrer mit einem Grammy dekorierten Standards-Kollektion "Loverly" (2008) und der Kreuzung aus Live- und Studio-Album "Silver Pony" (2010) pflegt die 56-Jährige aus Louisiana jetzt bei neuer Plattenfirma mit neuem Personal weiter die fono­grafische Artenvielfalt:
Diesmal geht die musikalische Reise der Wilson von ihrer Südstaatenheimat aus auch nach Afrika und Südamerika: Ihr 18. Album "Another Day" (Membran) ist Jazz und Blues mit starker Folk-Schlagseite, Latin-An­leihen und – erstmals – fast ausschließlich selbst komponierten Stücken. Wilson: "Ich lasse mich von vielen verschiedenen Dingen inspirieren: Menschen, Orten, Ereignissen, Erinnerungen, Wünschen, Hoffnungen. Ich schöpfe aus vielen verschiedenen Quellen."

Schlager-Oldie

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Leichtfüßig und heiter kommt "Another Country" als das Produkt einer genreübergreifenden Songwriterin daher. Begleitet wird sie von Akkordeon, zwei Percussionisten, Bass und dem italienischen Jazz-Gitarristen und Komponisten Fabrizio Sotti. Der hat bereits Wilsons CD "Glamoured" (2003) produziert.

Wer hätte das gedacht: Dass die Spezialistin für den trägen Sound des Mississippi-Deltas einmal den tausendfach abgenudelten Italo-Gassenhauer "O Sole mio" – übrigens die einzige Fremdkomposition des Albums – aufnehmen würde?
Und das in gleich zwei neu arrangierten, verspielten Versionen – einmal funkig, und einmal mit einem melancholischen Schmelz à la Fado gesungen. Und es passiert (fast) kitschfrei, delikat, heiter-verhalten und anmutig.

Vom kraftvollen Album "Belly of the Sun" (2002) ist diese sommerlich leuchtende Performance zwar weit entfernt. Auch die ganz tiefen Lagen fehlen auf "Another Country". Aber schwelgerisch schwebend, gemächlich und doch nie behäbig entwickeln sich die Songs – vom Ohrwurm "Red Guitar" bis zum afrikanischen Choral "Olomuroro".
"No More Blues" trans­poniert einen Klassiker ins Folkloristische. Italienisches Flair verströmt schließlich der Titel-Song "Another Country".
In warmen Farben leuchten die Songs, wippen, swingen und grooven elegant wie bei einem Spaziergang über die Piazza von Florenz, wo die Aufnahmen entstanden.

KURIER-Wertung: **** von *****