Kultur

Modezar als schönes Monster

Die Hunde sind gut. Die Hunde spielen heuer, bei den 67. Filmfestspielen von Cannes, zweifellos alle an die Wand, also so manchen Schauspieler. (Wenn er nicht gerade Helmut Berger heißt, aber davon später.)

Schon in Jessica Hausners kunstvollem Kleist-Film wedelten sich diverse Pinscher durch die erstarrten Bilder des filmischen Wachsfigurenkabinetts. Am Tag darauf sorgte nun eine französische Bulldogge für die lustigsten Szenen in "Saint Laurent", der im Wettbewerb um die Goldene Palme antrat und heftig beklatscht wurde. Es ist heuer bereits der zweite Film über das Leben des Modeschöpfers. Diesmal versuchte sich der französische Regisseur Bertrand Bonello, der zuletzt mit dem Bordell-Film "Haus der Sünde" ein lustvoll meisterliches Sittengemälde aus Parfüm, Puder und bebenden Brüsten gemacht hat. "Ich bin froh, dass ich den zweiten Saint-Laurent-Film gemachte habe, das hat mich davon befreit, ein klassisches Biopic machen zu müssen. Wir waren frei zu machen, was wir wollten" , meinte Bertrand Bonello dazu in der Pressekonferenz.

Seine Version von Yves Saint Laurent ist, so viel ist sicher, verführerischer als Version 1, die gerade bei uns im Kino war: Er fängt im Doku-Stil an und endet als Oper. Am Anfang steht die Schneiderwerkstatt des Modehauses. Ein klinischer Ort, fast ein Labor. Eine junge Frau weint da, weil sie die Naht nicht so perfekt nähen kann, wie sie gehört. Am Ende steht zur Stimme von Maria Callas eine virtuose Modeschau in Gold: rauschende Röcke, glitzernde Kleider, eine Kamera, die mit den Models am Laufsteg auf- und abtanzt. Bonello schwelgt in Farben: in roten Räumen, in goldenen, in weißen.

"Ich liebe die Dekadenz", sagt Bonello dazu. Das sieht man. Wie schon in "Haus der Sünde" erzählt er von Menschen in einer Parallelwelt; von Paradiesvögeln im goldenen Käfig, deren Traurigkeit zunehmend entblättert wird. Yves Saint Laurent, der Handwerker, Künstler, Homosexuelle taumelt immer mehr in einem Totentanz, orchestriert mit Drogen, Models, Sex und der Trauer einer verlorenen Liebe. "Ich habe ein Monster geschaffen, mit dem ich leben muss", sagt Yves Saint Laurent einmal zu einer Kundin. "Ein schönes Monster", antwortet sie. "Menschen, die kreieren, die künstlerisch sind wie Yves Saint Laurent, sind nie zufrieden mit dem, was sie machen oder wie sie sind. Deswegen machen sie weiter und weiter."

Helmut Berger

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Den alten Yves-Saint Laurent darf Helmut Berger spielen – mit einer geballter Aura des Aristokratischen und dem wunderbaren Charme des Verfalls. Berger adelt auch die letzte Hundeszene des Films "Saint Laurent": Da füttert er die Bulldogge Moujik IV. dekadent mit Löffelchen von Kaviar.

Bonellos Film folgt keiner klassischen Dramaturgie. Es ist ein üppiges Mosaik, das um Saint Laurent kreist und durch die Jahre springt, mit Rückblenden und Vorschauen, ist mal hohe Kunst, dann wieder Handwerk und damit irgendwie wie Yves Saint Laurent selbst.

Vor allem am Ende verliert sich der Film in seinen vielen Ideen, macht mithilfe von Splitscreen die Leinwand zu einem Mondrian-Gemälde. Immer wieder erzählt Bonello auch vom Kino selbst, von Oberfläche und Pose und verliert sich dabei – anders als Saint Laurent 1 – selbst gar nicht nur in Posen und Oberflächlichkeiten. Dafür ist er viel zu sinnlich. Eine Beschwörung von Stoff und Schönheit, Exzess und Eleganz. Und Yves Saint Lauren ist ihr Zuschauer.

Mitarbeit: Severin Fiala

Ja, man glaubt, man hat bei den Filmfestspielen von Cannes schon alles gesehen. Hat man aber nicht. Etwa, dass zahllose erwachsene Menschen mit gehörnten Plastikhelmen zwischen den Palmen lustwandeln.

Ja, ganz Cannes trägt Wikingerhelm. Was wieder mal der Beweis zu sein scheint: Ganz Cannes ist Maskenball und Fasching.

Wozu Wikingerhelme? Um sich vor dem Ansturm der vielen Zaungäste zu schützen oder aus Angst vor den vazierenden Zombies, die am Sonntag das 40-jährige Bestehen des Kult-Horrorlabels Troma feiern?

Nein, es ist viel banaler. Es handelt sich nämlich um eine der vielen Werbeaktionen, die regelmäßig das Filmfest befallen. In diesem Fall für "Drachen zähmen leicht gemacht 2", der seine Weltpremiere in Cannes außer Konkurrenz feiert. Ebenfalls am Rande findet übrigens die Premiere von einem der meisterwarteten Filmen des Jahres statt:

"Welcome to New York" von Meisterregisseur Abel Ferrara ("Bad Lieutenant"), der dieses Wochenende nicht wie üblich im Kino startet, sondern als Frankreich-weite Video-on-Demand-Premiere. Das Filmfestival wollte den Film ursprünglich im offiziellen Programm zeigen, hat das aber wieder zurückgezogen. Auf politischen Druck hin, wie gemunkelt wird. Beschäftigt sich Ferraras Film doch mit der brisanten Affaire rund um den Politiker Dominique Strauss-Kahn: Er war 2011 in New York verhaftet worden, nachdem ein Zimmermädchen des Hotels ihn wegen Vergewaltigung angezeigt hatte. Die Anklage wurde jedoch fallen gelassen. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich schloss Strauss-Kahn zwar die Kandidatur als Staatspräsident aus, aber man weiß ja nie.

Aus österreichischer Sicht kann man immerhin Kulturminister Josef Ostermayer vermelden, der zur Weltpremiere von Jessica Hausners "Amour Fou" angereist ist. Und das ganz ohne Wikingerhelm.

Sylvester Stallone fährt andere Geschütze auf: Er wird am Sonntag mit einem Panzer durch Cannes gondeln. Es handelt sich dabei allerdings um kein politisches Statement. Die Panzerfahrt findet für "Expendables 3" statt. Der Film ist zwar noch nicht fertiggestellt, aber – wie vieles hier in Cannes – als Werbung bereits angekommen.