Kultur/Buch

... und wieder 22 Bücher, kurz vorgestellt

Rembrandts Leben, ein Comics

Auch im Amsterdamer Rijsmuseum ist man begeistert von der Kunst des niederländischen Illustrators Typex. Die Comics-Biografie zeigt dessen berühmten Landsmann samt schlechter Eigenschaften – und trotzdem berührt er: Rembrandt, überwältigt vom eigenen Genie. Rembrandt, dessen Bilder seinerzeit für „unappetlich“ gehalten wurden.   Der Band „Rembrandt“ (Carlsen Verlag, 264 Seiten, 49,40 Euro)  ist ein Bildroman, der nie vergisst, wie Frauen die Meisterwerke erst ermöglichten. Die Zeichnung oben wurde dem Buch entnommen, an dem Typex drei Jahre arbeitete.

Typex: "Rembrandt" Carlsen Verlag. 264 Seiten. 49,40 Euro

KURIER-Wertung: ****

 

Lebensrettende Literatur

Was Denis Scheck macht, ist größenwahnsinnig, und Größenwahn kann lustig sein: „Schecks Kanon“ stellt die seiner Meinung nach 100 wichtigsten Werke der Weltliteratur vor. Bücher, die  dem deutschen Literaturkritiker das Leben retteten. (Netflix hat ihn nie gerettet!) Da sind die Peanuts dabei und Carl Barks’ Donald Duck, aber kein Buch von Peter Handke.

Denis Scheck: „Schecks Kanon“ Piper Verlag. 480 Seiten. 25,70 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Erinnerung an Qualtinger und Meinl

Lida Winiewicz lebte vom Schreiben – fürs Theater, fürs Fernsehen. Warum noch keine Zeitung ihre geplante Kolumne „Alte Frau mit Stock in Wien“ mit Handkuss genommen hat, ist rätselhaft. Lida Winiewicz ist Jahrgang 1928. „Achterbahn“ erinnert an ihre Begegnungen mit Lotte Lang, Waldbrunn, Qualtinger – und an die Katzen ihrer Schwester: Sie wanderte nach dem Krieg in die USA aus – und wie nannte sie dort ihre Lieblinge? Meinl und Demel.

Lida Winiewicz: „Achterbahn“ Braumüller Verlag. 184 Seiten. 22 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Gut erzogene Räuberinnen

Tomi Ungerers  „Drei Räuber“ sind ja eigentlich auch sehr nett (zumindest zu Kindern, denen sie ein Schloss bauen). Aber die Räuberinnen, von denen die Wienerin Verena Hochleitner in Wort und Bild erzählt, sind überhaupt super. Sie ziehen sich die Schuhe aus, bevor sie jemanden überfallen. Altersempfehlung: 8 bis 100.

Verena Hochleitner: „Die 3 Räuberinnen“ Tyrolia Verlag. 136 Seiten. 16,95 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Frau Wintertod fällt auf

Der lustigste österreichische Roman des Jahres – trotz dieser Zusammenfassung: Ein alter, ausrangierter Ästhetikprofessor schließt sich für ein literarisches Projekt mit einer jungen Autorin Marke Sargnagel zusammen, im Roman heißt sie Wintertod und fiel durch Texte auf wie: „Heute beim Furzen zu masturbieren begonnen. Danach Buchteln“.

Peter Waldeck: „Triumph des Scheiterns“  Milena Verlag. 280 Seiten. 24 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Für Hitler und für Amerika

Martin Haidinger, Historiker und Ö1-Journalist, scheut Effekte nicht, wenn er schreibt – und das passt gut zu Wilhelm Höttl (1999 in Altaussee gestorben), über den er geschrieben hat: Höttl arbeitete für Hitler und für Amerika, und vor allem schwindelte er: „Wie so oft ist etwas wahr geworden, das ich erlogen habe.“

Martin Haidinger: „Wilhelm HöttlUeberreuter Verlag. 208 Seiten. 22,95 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Rezepte mit Spielraum

Es ist ein Kochbuch, aber zuerst wird man lesen, lesen, lesen, und bis man unternehmungslustig in die Küche stürzt, ist Weihnachten vorbei. Es ist ein „offenes“ Kochbuch. Rezepte mit Spielräumen. Man geht vom Grundrezept aus, und dann wird variiert. Etwa die alte Einbrenn:  Öl erhitzen, Mehl einrühren, 40 Minuten kochen ... Die Wiederbelebung füllt viele Seiten. Und dann „spielen“ wir: mit Blunzn, Reh, Süßkartoffeln ... geht sich aber erst für Weihnachten 2020 aus.

Niki Segnit: „Intuitiv kochen“ Übersetzt von Stephan Pauli. Berlin Verlag. 720 Seiten. 41,20 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

 

Böse Katze im Backrohr

Als der Brite Julian Barnes unter Pseudonym vier Krimis schrieb: „Duffy“ war  der Beginn – mit einer knusprigen bösen Katze im Backrohr und einer Lösegeldforderung in Höhe von nur 25 Pfund. Welcher Verbrecher macht denn so etwas? Aber das ist nicht so wichtig, wichtig ist der bisexuelle Ermittler, der alle Uhren in den Eiskasten sperrt. Wichtig ist die Londoner Halbwelt der 1980er Jahre mit Peepshows und Pornokinos.

Dan Kavanagh:
„Duffy“
Übersetzt von Willi Winkler.
Kampa Verlag.
256 Seiten. 17,40 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Wie eine gute Zusammenarbeit

Nach „Die Ursache“ nun der zweite autobiografische Roman von Thomas Bernhard, gezeichnet vom Innsbrucker Lukas Kummer. Und wieder hat man das Gefühl, die beiden haben zusammen gearbeitet. Bernhards Text über seine Lehrjahre in einem Lebensmittelgeschäft am Rande Salzburgs (und am Rande der Gesellschaft) wiederholt sich in den Bildern  ... wiederholt sich in Wiederholungen ... wiederholt den Sog.

Lukas Kummer:
„Der Keller“ von Thomas Bernhard
Residenz Verlag.
112 Seiten.
22 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

 

Von Fükse und Mänschen

Von George Saunders ist der Roman „Lincoln im Bardo“. Drei Rufzeichen. Deshalb geht es voll in Ordnung, wenn jetzt ein Fuchs schreibt bzw. wenn der Texaner Saunders als Fuchs schreibt ... als Fuks, weil so gut beherrscht er die Rechtschreibung klarerweise nicht. Ein Brief an die Mänschen  ist das Buch - mit der Bitte, netter zu sein. Auch zu Fükse. Eine Stunde Lektüre, kindgerecht und weise.

George Saunders:
„Fuchs 8“ Übersetzt von Frank
Heibert, illustriert von Chelsea
Cardinal. Luchterhand Verlag.
56 Seiten. 12,40 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Der 26. ist kein Feiertag

Französische Weihnachten könnten mit einer Topinambursuppe beginnen. Dann Austern. Und Austern. Und vorher, damit man in Austern-Stimmung kommt, diese kleinen, fetten Portionen  Literatur: Colette und Djian und Slimani und Houellebecq und  u.a. die Freude, dass „die Strafe“ am 26. Dezember schon wieder vorbei ist – er ist nämlich kein Feiertag  in Frankreich.

Annette Wassermann (Hrg.):
„Französische Weihnachten
Wagenbach Verlag.
144 Seiten.
18,50 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Anziehend bis zum Verschwinden

Filmemacherin Kitty Kino („Karambolage“) schreibt längst lieber Romane, überraschende einerseits, andererseits überrascht es nicht, wie gut sie die aus den Fugen geratene Welt  einfängt. Inspiriert von der Strahlung Schwarzer Löcher bringt sie Teilchen und Antiteilchen (Frau, Mann)  zum Verschwinden, wenn  ihre Gegensätzlichkeit anziehend wirkt.

Kitty Kino:
„Die kleinste Berührung“
Edition Keiper.
268 Seiten.
24 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Paul Floras früher Widerstand

Ein Heft, im Nachlass des Südtiroler Künstlers Paul Flora entdeckt: 1940 war’s, er war  18 und schrieb mitten im Krieg seine Memoiren, seine Schulmemoiren. Er war früh im Widerstand. Er wünschte, dass englische Bomber die Schule zerstören. Es sind kurze satirische Texte, gebettet in ein derart schönes Buch, dass es zum Denkmal für Paul Flora geworden ist.

Paul Flora:
„Aus den Memoiren eines
Mittelschülers“
Folio Verlag.
104 Seiten. 28 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Der größte Bauchfleck

Wie elegant der Tölpel fliegt! Ein Tänzer! Aber wehe, er muss landen, dann baut er einen Bauchfleck. Der große Erzähler Peter Wawerzinek, Gewinner des Bachmann-Preises 2015, schaffte einen solchen in der Liebe.  Ein „Liebestölpel“ ist er, der die Frau, die er liebte,  nicht binden konnte. Ein Drama – wie  seine Romane über die Zeit im Kinderheim und über Alkoholprobleme. Sein Witz hält am Leben.

Peter Wawerzinek:
„Liebestölpel“
Galiani Verlag.
304 Seiten.
20,60 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Ähnlichkeiten mit "Der Fund"

„Geldisch“ ist die Sprache, die alle verstehen. Wenn das so ist, mischt eine leidgeprüfte Frau mit – ähnlich wie in Bernhard Aichners Bestseller „Der Fund“: Sie ist Dolmetsch für die Polizei und weiß deshalb genau, wer wo wann Drogen übergeben will. Die schnappt sie sich. Autorin Hannelore Cayre ist Strafverteidigerin in Paris. Sie hat nicht allein Spannung im Sinn. Sondern den Kapitalismus im Visier.

Hannelore Cayre:
„Die Alte“
Übersetzt von Iris Konopik.
Reihe Ariadne im Argument Verlag. 224 Seiten. 18,50 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Verbotenes in der Schlucht

Nur eine tote Liebe kann eine glückliche Liebe sein, schreibt der kurdisch-irakische Schriftsteller Bachtyar Ali über sein Kurdistan – über  junge Leute, die in eine Schlucht flüchten, um einander wenigstens dort kurz lieben zu können – über fanatische Sittenwächter, die Frauen und die Liebe exekutieren.  Viele Schmetterlinge fliegen durch dieses Buch, allerdings  in erschreckender Finsternis.

Bachtyar Ali:
„Perwanas Abend“
Übersetzt von Raweth Salim und Ute Cantera-Lang. Unionsverlag.
320 Seiten. 22,70 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Schüler sind auch noch da

Sowieso ein mit Freuden erwarteter Roman. Aber für Lehrer und Schuldirektoren, die gegen Bürokratie kämpfen, ein absolutes Muss! Zwar hat sich der Brite J.L. Carr (1912 – 1994) über das englische Schulsystem der 1950er lustig gemacht – er war selbst Lehrer, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Aber viele angesprochene bürokratische  Probleme sind aktuell geblieben. Wie soll man sich da um die Kinder kümmern?

J.L. Carr: „Die Lehren des Schuldirektors George Harpole
Übersetzt von Monika Köpfer.
DuMont Verlag.
288 Seiten. 20,60 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Undercover in der Gestapo

Schon wieder ein historischer Kriminalroman der Vorarlbergerin Daniela Larcher, die unter dem Pseudonym Alex Beer schreibt. Diesmal nicht Wien 1920, sondern Nürnberg 1942: Ein jüdischer Buchhändler wird vom Widerstand, getarnt als Kriminalpolizist, in die Gestapo geschleust. Aufregend, handwerklich gut, vieles wirkt echt, aber Romane über diese Zeit, die nicht spannend sein wollen, sind sympathischer.

Alex Beer:
„Unter Wölfen“
Limes Verlag.
368 Seiten.
16,50 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Mehr Platz für Richard Kola

 Man ist ja froh, dass nicht jeder Roman an die 1000 Seiten hat. Richard Kola hätte aber mehr Raum verdient, als ihm  der Innsbrucker Bernd Schuchter zu geben bereit war. Kola jonglierte  in Wien 1910, 1920 mit Millionen und gründete den Rikola-Verlag, um es mit den größten deutschen Häusern aufzunehmen.  Der Sex mit seiner Sekretärin ist das Allertraurigste an seinem Scheitern.

Bernd Schuchter:
„Rikolas letzter Auftritt“
Braumüller Verlag.
160 Seiten.
20 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

 

Das Feuer bleibt an erster Stelle

Mit Skepsis greift man zu dem Leitfaden. Man will keine Regeln hören, sondern schreiben ... Aber was die beiden erfahrenen „Lehrer“ Karin Fleischanderl und Gustav Ernst zu sagen haben, das sagen sie so, dass an erster Stelle immer noch das Feuer stehen bleibt, das brennt – und deshalb nimmt man von ihnen gern an, was man beim Romaneschreiben  berücksichtigen sollte. Hat Wirkung. Hoffentlich.

Karin Fleischanderl und
Gustav Ernst: „Romane schreiben“
Haymon Verlag.
192 Seiten.
19,90 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Debbie Harry bereut ein bissl

Oft ist es nicht so gut, mehr übers Stars zu wissen. Denn dann vergeht’s einem. Debbie Harry, mit ihrer Band „Blondie“ in den 1970ern feministisches Vorbild und Stilikone, hat ihr Leben aufgeschrieben, und diese Memoiren machen sie  noch sympathischer. So gar nicht gekünstelt. Dass sie von David Bowies großem Pimmel erzählte, bereut sie mittlerweile.

Debbie Harry (mit Sylvie Simmons):
„Face it“ Übersetzt von Philip Bradatsch, Torsten Groß, Harriet Fricke und Frank Dabrock.

Heyne Verlag. 432 Seiten. 25,70 Euro.

KURIER-Wertung: ****

 

Wohlfühlen in der Kaiserstraße 15

Wo heute der „Bergfuchs“ ist, war um 1900 das erste Sportgeschäft WiensMizzi Langer  führte es: die Skiläuferin, Bergsteigerin ... Mit ihr bekommt die Kaiserstraße 15 jetzt einen eigenen Roman. Dunkel wie Max Winters Wien-Reportagen aus der Zeit ist er nicht, sondern ein Wohlfühlroman mit einem sportlichen Mädel aus der Provinz, das um eine Anstellung bittet.

Beate Maly:
Lottes Träume“
Blanvalet Verlag.
544 Seiten.
11,40 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern