Kultur/Buch

Wenn der Analytiker einen sitzen hat

Am Beginn von Judith Hermanns Erfolg stand ein Therapeut. Die erste Erzählung aus dem Band „Sommerhaus, später“ beginnt mit einem Therapeutenbesuch – dem „ersten und einzigen“ – dessentwegen die Erzählerin ihr Korallenarmband und ihren Geliebten verlieren sollte.

„Sommerhaus, später“, erschien 1998 und wurde von der Kritik bejubelt. „Ein deutsches Fräuleinwunder, fürwahr!“ schrieb der KURIER über die damals 28-Jährige, die eine der erfolgreichsten Autorinnen ihrer Generation wurde. „Sommerhaus, später“ ist heute Schullektüre und wurde verfilmt, S. Fischer hat es nun neu aufgelegt.

Alle Inhalte anzeigen

25 Jahre später blickt die Berliner Autorin auf den Erfolg von damals zurück. „Wir hätten uns alles gesagt“, ihre nun veröffentlichten Frankfurter Poetikvorlesungen, offenbart unter anderem: Der Therapeutenbesuch ist nicht der einzige geblieben. Es ist erneut die erste Erzählung, die mit einem, diesfalls zufälligen, Therapeutentreffen beginnt. Eines Nachts begegnet die Erzählerin ihrem Analytiker, der angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit leicht betrunken ist. Man steht unbeholfen auf der Straße, raucht, weiß nicht, was man sagen soll. Schöne Szene. Judith Hermann war immer eine brillante Stilistin. Der neue Erzählband, der in die Abgründe ihrer Familiengeschichte blicken lässt, ist keinesfalls leichte Unterhaltung. Doch man stellt fest: Mit den Jahren kommt der Humor.

Alle Inhalte anzeigen