Kultur/Buch

Joan Didion, zu wenig bekannt

„Ich bin nicht im Geringsten eine Intellektuelle“, hat die Amerikanerin Joan Didion gesagt. Sie könne mit dem Abstrakten nichts anfangen. Sie brauche etwas Greifbares, um darüber schreiben zu können.

Einen Birnbaum.

Oder Nancy Reagan, Ehefrau des späteren US-Präsidenten, als sich ihr kleiner Sohn lieber vor ihr in seinem Zimmer versteckte und Nancy in Gegenwart Joan Didions trotzdem stolz verkündete:

„Ich halte nichts davon, eine Mutter zu sein, die nicht für ihre Kinder da ist.“

Oder ein Treffen der Weltkriegsveteranen. Unheilvolle Ölraffinerien. Die Hippies in Kalifornien. Den Tod ihres Ehemanns. Den Tod ihrer Tochter. Und sie brauchte Amerika.

Darüber konnte sie nachdenken ... „Ich schreibe, um herauszufinden, was ich sehe und was das bedeutet.“

Viele journalistische Texte von ihr waren zuerst in Magazinen wie Vogue und The New Yorker zu lesen. Immer spürte man, jedes Wort hatte für sie Bedeutung, jede Satzstellung musste so und nicht anders sein: „Dort lagen ein Apfel und zwei Orangen“ liest sich nicht so gut wie „Dort lagen zwei Orangen und ein Apfel“.

Senf

Joan Didion lernte in den 1950ern: „Kürze, räum auf, komm zur Sache.“ Hemingway war ein Vorbild. So konnte sie für Menschen, die vom und fürs Schreiben leben, die Meisterin sein.

Wie Schriftsteller aus Nichts viel machen können!

„Was ich meine“ ist eine Sammlung von Essays bzw. Kurzreportagen, die Joan Didion im Jahr vor ihrem Tod 2021 selbst zusammengestellt hat.

Es sind frühe Arbeiten ab 1968, die ihren Weg zeigen. Ein Schlüssel, damit man erste Schritte in der Welt ihrer minimalistischen Literatur machen kann.

Antje Rávik Strubel (Deutscher Buchpreis 2021 für „Blaue Frau“) arbeitet zurzeit an Neuübersetzungen von zwei Romanen Didions. Das Vorwort zu „Was ich meine“ stammt von ihr.

Strubel weist darauf hin, dass Didion im deutschen Sprachraum wenig bekannt ist : Die einen schreiben ihren Vornamen wie den von Joanne K. Rowling, andere sprechen ihren Namen französisch aus, „sodass Didion klingt wie eine berühmte französische Senfsorte.“

Ist aber immerhin eine sehr gute Senfsorte.

Foto oben: Joan Didion mit Präsident Obama, 2013 während einer Ehrung


Joan Didion:
„Was ich meine“
Übersetzt und mit einem Vorwort von Antje
Rávik Strubel.
Ullstein Verlag.
176 Seiten.
19,95 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern