Die Mutzenbacher: Die ganze Aufmerksamkeit für die Grammatik
Von Peter Pisa
Pornografie in „kritischer Ausgabe“. Die „Geschichte einer Wienerischen Dirne“ , 1906 in einer privaten „Liebhaberausgabe“ erschienen, will man dadurch aus den Schmuddelecken holen. Jeder Fehler in Grammatik und Zeichensetzung wird aufgelistet. Damit kann man Zeit verbringen, um den Inhalt auszuweichen.
Doppelsinn
Seitenlanges Studium der Dialektwörter für „Penis“, „Bordell“ u. v. m. übersteht man, wenn man sich fest vorsagt, Sprachhistoriker zu sein. Die Beiträge des kürzlich verstorbenen Oswald Wiener helfen dabei. „Josefine Mutzenbacher“ ist – trotz Kindesmissbrauch, Inzest und permanentem Kopulieren – Literatur; und wahrscheinlich nicht, wie stets gemunkelt wird, von Felix Salten verfasst (der "Bambi" geschrieben hat, Foto oben). Gutachten "entlasten" Salten.
Provokantes Gegenstück zu den süßen Wiener Mädeln aus alten Filmen, die, gar nicht filmreif, als Gelegenheitsdirnen arbeiteten, damit die Familie nicht hungert. Prostitution war ab 14 erlaubt. Wie Herausgeber Ruthner doppelsinnig feststellt, ist die „Mutzenbacher“ die Kehrseite von Wien 1900.
Clemens
Ruthner, Melanie Strasser , Matthias Schmidt (Hg): „Josefine Mutzenbacher“
Sonderzahl
Verlag.
424 Seiten.
34 Euro
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern