Kultur/Buch

Das neue Journal von Karl-Markus Gauß, nonstop durch die Welt

Ein „Undsoweiter“ mag er nicht sein. Seit er gehört hat, wie ein Sohn über seinen verstorbenen Vater gesagt hat:

„Er wollte immer helfen und unterstützen und so weiter.“

Was jemand war: Als „Undsoweiter“ ist er nichts, und er kann nicht ewig bleiben, was er wirklich war. Von dieser Reduzierung möge man uns alle verschonen.

Damit man aber hier nicht in Platznot gerät, muss erlaubt sein, sich vor dem Aufzählen, wer er ist und was er kann, überhaupt zu drücken:

Der Salzburger Karl-Markus Gauß ist in „Die Jahreszeiten der Ewigkeiten“ wieder ganz der Karl-Markus Gauß der Bücher „Ruhm am Nachmittag“ bzw. „Der Alltag der Welt“. Er wundert und ärgert sich wieder, er analysiert, was in der Welt geschieht und ihn beschäftigt.

Sein Tage- bzw. Jahresbuch kann als „Protest gegen dumme Witzbolde“ verstanden werden, zu denen durchaus auch Künstler und Politiker zählen. Begonnen wird, indem er sich auf den Weg in die Volksschule begibt, in den er vor sechs Jahrzehnten erstmals eingebogen war; und dann schreibt er übers Kinderkriegen und kommt auf den IS, übersiedelt zu Kurz und Trump und Orbán ...

30er-Zone

Solche Nonstop-Einlassungen will man von fast niemandem hören, Karl-Markus Gauß darf es, oft soll er es machen, sonst noch Franz Schuh, Claudio Magris – aber dann: Schluss.

Als Kind stellte er sich vor, dass die Ewigkeit ihren Frühling, Sommer, Herbst und Winter hat, auch sie wachse und vergehe und kehre zurück. Auf diesen Irrtum aufmerksam gemacht, war ihm dann die Zeit lieber, „und ich bin ein Anhänger geblieben, der sie gegen die Ewigkeit verteidigen will.“

Am einprägsamsten ist Gauß, wenn er vom Alltag erzählt. Dann hält er die ganze neue Welt in Händen:

Wo er wohnt, ist eine 30er-Zone. Früher, wenn er Autofahrer um Mäßigung bat, bekam er Entschuldigungen als Reaktion. Heute springt der Lenker aggressiv aus dem Wagen, schreit, Gauß möge sich ins Knie f... und rast weiter.

Persönlicher Lieblingssatz, Seite 110: „Sie war seit zwanzig Jahren mit einem Trottel verheiratet, und inzwischen sah man ihr das an.“

Interview mit Karl-Markus Gauß folgt

 

Karl-Markus
Gauß:
„Die
Jahreszeiten der Ewigkeit“
Zsolnay Verlag.
320 Seiten.
25,95 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern