Kultur/Buch

Das Gfrett mit dem Gfrast wird wiederholt und ergänzt

Es ist ein Gfrett, alles. Deshalb frettet man sich bzw. wurschtelt sich mühevoll durch. Ein Dialektwort, das auch schon auf „Die Infantin trägt den Scheitel links“ gepasst hat.

So hieß der Roman der Salzburgerin, die sich Helena Adler nennt (Foto oben). Er war für mehrere Buchpreise nominiert. Eine komische Oper zum Thema Erwachsenwerden in der Provinz. Helena Adler aber sah darin „am ehesten ein Haus- und Hofpanorama“, in dem ein Mädchen am Bauernhof der Familie versucht, als Königliche Hoheit aufzutreten, während ihre Schwestern drohen, falls sie weiterhin spinnt, werde man sie mittels Spritze einschläfern.

Eine erste Sprachbombe war das. Kein Satz durfte bloß ein Satz sein. Er musste originell sein und Spott haben und Hirn.

„Fretten“ ist keine Fortsetzung, schon eher eine Wiederholung mit neuen Schwerpunkten. Die Erzählerin wächst bei verwilderten Landbewohnern heran, ein paar Kilometer von der Stadt Salzburg entfernt. (So ein Zufall! Wie Helena Adler!) Die Leute sind auf der Suche, aber sie finden nichts. Sie machen sich auf den Weg, aber sie kommen nie an.

Immerhin hat die Großmutter einen guten Spruch drauf: Ein Mann ist gefährlich, solange er ein Joghurt beißen kann.

Bond

Viel Handlung gibt es nicht. Zuerst erinnert sich Helena Adler an die Kinderzeit. Das Kind ist ein Gfrast (das Wort passt zum Gfrett, das viele mit dem Kind haben). Infantin bleibt Infantin.

„Ich war umgeben von Tränensäcken, von Hautlappen, ausgedehnten Gebärmüttern, leergesoffenen Mutterbrüsten.“

Dann schließt sich das Mädchen einer Bande an. Bissl Alkohol und andere Drogen – wobei der Kommandant ein Lustiger ist. Er stellt sich nämlich so vor: „Mein Name ist Bond.“ Pause. „Raiffeisenverbond.“

Dann bekommt sie ein Baby, das macht sie zärtlicher – obwohl: „Ich habe mir also ein Mutterkostüm übergezogen und auferlegt, das zwickt an allen möglichen Stellen. Es ist zu eng, ich komm nicht mehr heil heraus.“

Der Verlag nennt den Roman eine Lebensanklage und Liebeserklärung. Er setzt sich der Gefahr der Überinszenierung aus – nein, er ist eindeutig schon überdrüber. Aber bei Helena Adler ist das gut so.

"Fretten" ist im Finale um den österreichischen Buchpreis 2022. Der Gewinner wird am 21. November bekanntgegeben.


Helena Adler:
„Fretten“
Verlag Jung und Jung.
192 Seiten.
23 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern