Brittanny Howard sieht Denunzianten auf dem Vormarsch
Ein vorwärtstreibender Funk-Rhythmus, bluesige Gitarren und explosiver Gesang: Mit dem Song „You And Your Folks, Me And My Folks“ setzt die ehemalige Frontfrau, Gitarristin und Hauptsongwriterin der Blues-Rock-Band Alabama Shakes jetzt einen Gegenpol zu all den getragenen, nachdenklichen Songs, die die Corona-Krise hervorgebracht hat. Der Text (es ist ein Cover eines Funkadelic-Hits) passt allerdings perfekt, plädiert für Vertrauen in die Mitmenschen – trotz aller Ängste.
Vor einer Woche hat Howard den Track in der „Spotify Singles“-Serie veröffentlicht und damit die Zeit des Stillstands kreativ genützt. Denn die geplante Tour zu ihrem Album „Jaime“ musste sie verschieben.
Erschienen 2019, konnte „Jaime“, das Solo-Debüt der 31-Jährigen, mit seiner Fusion aus Rock, Blues und Soul nicht nur Kritiker begeistern. Es aufzunehmen, sagt sie, habe viel Mut gebraucht. Das lag aber nicht daran, dass sie die Band verlassen und von Songwriting über die Aufnahmen bis zur Produktion alles alleine machte, sondern an den persönlichen Inhalten der Song.
Brutal ehrlich, aber mit einnehmender Poesie beschreibt Howard zum Beispiel in dem Song „Georgia“, wie sie sich das erste Mal in eine Frau verliebte. Oder in „Goat Head“, wie Rassisten ihren Eltern, einem interkulturellen Paar, einen Ziegenkopf ins Auto gelegt haben.
„Ich selbst habe Rassismus als Kind kaum gespürt, meine Eltern haben mich sehr gut davor beschützt“, erzählt Howard im KURIER-Interview. „Erst später bin ich draufgekommen, wie schwer sie es hatten, wie verletzend sie manche Leute in unserer Stadt Athens in Alabama behandelt haben und wie strikt diese Leute auch dagegen waren, dass die beiden Kinder haben.“
So wie „Goat Head“ rassistischen Übergriffen von damals gewidmet ist, bezieht sich der Song „History Repeats“ auf die heutige Zeit. „Er handelt eigentlich vom Versagen der Menschheit“, erklärt sie. „Der Auslöser dafür war, dass Trump Präsident wurde. Für mich war das ein riesiger Rückschritt. Unter Obama hatte ich dieses Gefühl von Inspiration und Hoffnung, dass die Menschheit auf Einheit und Lösungen hinsteuert. Und es wurde auch alles besser. Dann kam Trump, und damit bekamen die Rassisten und Denunzianten, die gerne mit dem Finger auf andere zeigen, starken Rückhalt. Deshalb kann Rassismus jetzt wieder neu aufflammen.“
Besonders bitter erlebte Howard diesen Rückschritt eines Tages, als sie mit ihrer Frau in einer kleinen Stadt unterwegs war. „Wir gingen spazieren. Plötzlich sprang so ein bulliger Typ zwischen Autos hervor, warf Feuerwerkskörper in unsere Richtung, und schrie: ‚Verschwindet von hier!‘ Unter Obama war so etwas undenkbar. Erst Trump gibt solchen Leuten die Erlaubnis dafür.“
Aber, sagt Howard, sie habe früh gelernt, sich von derartigen Vorfällen nicht entmutigen zu lassen – von ihrer schon früh verstorbenen Schwester Jaime, der sie das Album gewidmet hat.
„Sie hat mir nicht nur das Klavierspielen und alles über Poesie und Songwriting beigebracht, sondern war auch unglaublich stark. Sie sagte immer: ‚Nichts kann dir „Nein“ sagen, wenn du dir immer wieder „Ja“ sagst.‘“