"Britannia": Ein psychedelischer Höllentrip
Von Marco Weise
Der Serienstart von "Britannia" kommt gelegen. Denn nachdem das große Finale von "Game of Thrones", der Endkampf um Westeros um ein Jahr nach hinten verschoben wurde, braucht der Bezahlsender Sky, der 2019 die letzten Folgen der erfolgreichen wie preisgekrönten HBO-Serie gewohnt exklusiv zeigen wird, einen Ersatz.
Dieser könnte "Britannia" sein. Ein britisches Historien-Drama in (vorerst) neun Akten besticht – ähnlich wie "Game of Thrones" – mit eindrucksvollen Bildern, tollen Kulissen, verschachtelten Handlungen, überraschenden Wendungen, gelungenen Actionszenen und epischen Kamerafahrten – gedreht wurde hauptsächlich in Tschechien.
Verfluchtes Land
Vor dem Hintergrund der Invasion Britanniens im Jahr 43 nach Christus dreht sich die Geschichte um den römischen Feldherrn Aulus Plautius (David Morrissey), der seine Armee in das Land der widerspenstigen keltischen Völker führt und schließlich, so weit so bekannt, erobert. Kurz davor steigt Britannia ein: Die Römer nehmen gerade Anlauf, um es endlich auf die Insel zu schaffen. 20.000 Soldaten unter dem Kommando von Plautius versammeln sich im gallischen Hafen von Boulogne, um "Britannia" zu erobern. Mit diesem gewagten Feldzug will der amtierende Cäsar Claudius sein Zeugnis aufpolieren. Der Schlachtplan sah auf dem Papier einfach aus: Plautius sollte die Machtkämpfe unter den keltischen Völkern ausnutzen, einmarschieren und – sobald die Lage sicher ist – Claudius seinen Erfolg überlassen. Bei der Umsetzung haperte es aber. Denn die keltischen Stämme sind über die römischen Eindringlinge natürlich "not amused". Der Feind von außen soll zusammen bekämpft werden. Dafür schließen die Erzrivalinnen Kerra (Kelly Reilly) und Antedia (Zoë Wanamaker) sogar einen Pakt, um Schulter an Schulter gegen die Römer zu ziehen. Zur Seite stehen ihnen dabei die sagenumwobenen Priester, auch "Druiden" genannt, die Menschenopfer bringen, dem Kannibalismus nicht abgeneigt sind und dunkle Mächte der Unterwelt beschwören. "Niemand weiß, wer sie wirklich waren", sagte Jez Butterworth, der das Buch zur Serie schrieb, in London. Nachsatz: "Für mich verkörpern sie das Zentrum der Dunkelheit."
Erweiternd
"Britannia" ist eine dunkles und schmutziges Land. Römische Soldaten dachten damals, dass die Insel die Hölle auf Erden sei. "Genau diese Hölle wollen wir zeigen", sagt Butterworth.
Die neun Folgen nehmen einen auf eine schräge, spannende und unterhaltsame Reise mit in eine Welt, in der Männer von ihren Ehefrauen in der Hochzeitsnacht kastriert werden, mystische und übernatürliche Ereignisse passieren und persönliche Duelle mit voller Vehemenz ausgetragen werden. So weit, so Westeros, könnte man sagen.
Und tatsächlich: Nach der ersten, oberflächlichen Betrachtung wirkt die Vorlage des Drehbuchautors und Theatermachers Jez Butterworth (siehe Kasten) wie eine Blaupause von "Game of Thrones". Aber die Serie hat mehr zu bieten als Outfits aus dem Kostümverleih, Sex, Gewalt und literweise Kunstblut. "Britannia" setzt neben komplexen Charakterkonstellationen, opulent umgesetzten Schlachten auf komödiantische Einlagen – der Humor fällt dabei "very british" aus, versteht sich. Auch die Wahl des Titelsongs macht den Unterschied: Während bei "Game of Thrones" ein Orchester Spannung erzeugt, erklingt bei "Britannia" Donovans "Hurdy Gurdy Man". Das Lied, das der schottische Songwriter 1968 von seiner bewusstseinserweiternden Indienreise nach Hause brachte, passt perfekt zur psychedelischen Grundstimmung, die Butterworth mit unterschiedlichen Regisseuren erzeugt.
Der wunderbar kauzige Drehbuchautor gab den Lesern der Sunday Times übrigens einen Tipp: Wie konsumiert man die Serie am besten? "Rauchen Sie davor einen Joint." So habe man beim Sehen "eine bessere Zeit".
Start: Der Abosender Sky zeigt ab heute, Freitag, die Serie „Britannia“ – immer freitags ab 20.15 Uhr auf Sky Atlantic HD. Zum Start wird eine Doppelfolge ausgestrahlt. Parallel dazu sind alle neun Episoden auf Sky Ticket, Sky Go und Sky On Demand flexibel abrufbar.
Episoden: Das Drehbuch stammt vom britischen Autor und Theater- macher Jez Butterworth, der für die Filmbranche u. a. das Buch zu James Bonds „Spectre“ verfasste. In den ersten neun Episoden (weitere Folgen hängen vom Publikumszuspruch ab) zu je 55 Minuten sind u. a. David Morrissey, Kelly Reilly, Zoë Wanamaker, Stanley Weber, Nikolaj Lie Kaas und MacKenzie Crook zu sehen.