Kultur

"Bridge of Spies": Der Spion, den ich verteidigte

Mit Joel und Ethan Coen als Kollaborateure an einem Spielberg-Film hätte man wohl am wenigsten gerechnet. Doch tatsächlich leisteten die beiden schwarzhumorigen Regisseure Drehbucharbeit an Steven Spielbergs neuem – man möchte fast sagen: meisterlichen – Spionagethriller. Mit ihrer Hilfe entwirft Spielberg eine düstere Welt noir am Höhepunkt des Kalten Krieges. Eisgraue Männer mit Hüten kommen aus der Kälte und unterhalten sich in pointiert zugespitzten Dialogen. Amerikanische Geschichtsstunde im Ausnahmezustand – zuletzt gesehen in Spielbergs famosem Präsidentschaftsporträt "Lincoln" im Kampf um die Sklavenbefreiung.

Auch in "Bridge of Spies" geht es um nichts weniger als die Verhandlung amerikanischer Grundwerte. Spielberg verteidigt im Angesicht drohender Atomkriegsgefahr das Recht jedes Einzelnen auf faire Gerichtsverfahren. (Analogien zu dem derzeitigen US-Krieg gegen den Terror sind wohl nicht unbeabsichtigt.) Dazu braucht es die Zivilcourage eines aufrechten Mannes.

Und wo findet sich das gute Gesicht Amerikas besser widergespiegelt als in den treuherzigen Zügen von Tom Hanks?

Vielleicht atmet besonders der Anfang von "Bridge" den staubtrockenen Realismus der Coen-Brüder, in jedem Fall ist er überragend. Der exquisite Mark Rylance – eine Offenbarung unter den Schauspielern – spielt den russischen Spion Rudolf Abel wie ein ausgewundenes Handtuch. Schmallippig und verdorrt, dabei von unbeugsamer Korrektheit, lässt er sich in seiner deprimierenden Wohnkammer in Brooklyn leidenschaftslos von CIA-Agenten verhaften. Spielberg verzichtet auf die übliche Schwellmusik und inszeniert die ersten Verfolgungsszenen bis hin zur Verhaftung fast wortlos, dafür mit unglaublich präziser Detailschönheit: Pures Kino mit maximalem Unterhaltungswert.

Pflichtverteidiger

In James Donovan – dem lieben Tom Hanks – findet der Spion seinen Pflichtverteidiger. Und – was Werte wie persönliches Ehrgefühl und Loyalität angeht – ein gleichgesinntes Gegenüber.

Es wäre nicht Steven Spielberg, würde er nicht jede historische Entwicklung auf persönliche Details herunterbrechen. Spielberg kennt als Erzählmodell eigentlich nur das Familiäre, das Private – aber wahrscheinlich macht ihn genau das emotional so effektiv.

Nachdem Donovan das Foto eines jungen US-Studenten gesehen hat, der von den Russen gefangen genommen wurde, wird er gleich an seinen zukünftigen Schwiegersohn erinnert: "Everybody matters – jeder zählt", lautet Donovans Credo. Und seine private Empfindung überlagert sofort das politische Kalkül: Eigentlich soll er in Ost-Berlin seinen russischen Spion nur gegen einen abgeschossenen US-Piloten austauschen. Doch den Studenten setzt er auch gleich auf die Rettungsliste.

Beim Ausflug nach Ost-Berlin erhielt Spielberg Unterstützung von deutscher Prominenz – etwa Sebastian Koch als dubiosem DDR-Anwalt. Schießereien an der Berliner Mauer inszeniert er herzzerreißend, die Actionsequenzen im Luftkrieg fachkundig. Zwar beginnt im Ost-berlin-Drittel die Intensität von Donovans Mission zu erschlaffen; Behäbigkeit setzt ein, Musik wallt auf.

Trotzdem markiert "Bridge of Spies" einen Höhepunkt im Geschichtskino made by Steven Spielberg.

Info: Bridge of Spies – Der Unterhändler. USA/IND/D 2015. 141 Min. Von Steven Spielberg. Mit Tom Hanks, Mark Rylance.

KURIER-Wertung:

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