Kultur

Bob Dylan in Wien: Spielen oder posieren?

Der spannendste Moment in einem guten, aber nicht aufregenden Konzert kam, als das Konzert beinahe schon aus war. Bob Dylan begann die Zugabe - und die Menschen verließen ihre Plätze und strömten vor die Bühne. Und begannen, mit ihren Handys zu FILMEN! Und das war strengstens untersagt. Schon vor der Show war das Publikum gewarnt worden: Zuwiderhandelnde würden "von der Veranstaltung ausgeschlossen." (Fehlte noch der Zusatz: "Und auf Kosten der Eltern nach Hause geschickt.")

Bob Dylan bemerkte dies, brach "Blowin' In The Wind" nach der ersten Strophe ab, stand auf, führte ein paar höhnisch übertriebene Tanzschritte vor und bellte: "We can either play or pose. It's your decision! (Wir können entweder spielen oder posieren, es ist eure Entscheidung!)" Dann übersah er in seinem Zorn eine Monitorbox, stolperte drüber und fiel beinahe ins Schlagzeug. Dann gab es noch ein paar wütend gekrächzte Strophen von "It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry", und weg war er.

Dieser kleine Eklat gab dann dem Publikum beim Verlassen des Konzerthauses wenigstens Gesprächsstoff. Vorher hatte es brav applaudiert und das Konzert eher über sich ergehen lassen, als Teil davon zu sein.

Stolpern

Das Stolpern war auch vorher Programm: Bob Dylan interpretiert seine Lieder heute nicht mehr, er stolpert über sie. Aus "Like A Rolling Stone" macht er eine Country-Schnulze, "Don't Think Twice, It's Alright" wird zur taumelnden Bar-Ballade, "Gotta Serve Somebody" ist harter Rock, "Simple Twist Of Fate" klingt wie Jahrmarktsmusik.

Höhepunkt des Abends ist eine gespenstische Version von "Scarlet Town" ("Early Roman Kings" dagegen klingt diesmal fast harmlos). Sehr stark ist eine waidwunde Fassung von "Make You Feel My Love".

Großartig gelingt auch das voll verzweifelter Wut geheulte "Love Sick": "I'm sick of love/I wish I'd never met you/I'm sick of love/I'm tryin' to forget you/just don't know what to do/I'd give anything to be with you." Jeder, der dieses Gefühl kennt - also alle - kippt in das Lied hinein.

Dylan, gehüllt in Schwarz und Silber, wirkt müde. Wenn er gebeugt über die Bühne schlurft, merkt man ihm sein Alter - er wird am 24. Mai 78 - an. Aber sein Klavierspiel ist kraftvoll und sein Mundharmonikaspiel sogar exzellent. Sein heiseres Krächzen ist ohnehin längst Markenzeichen.

Heute, Mittwoch, spielt er noch einmal im Konzerthaus. Bleibt abzuwarten, ob er wieder Grund zum Grantigsein bekommt.