Billie Eilish: Beim zweiten Album viel selbstsicherer
„Es steckt so viel Selbstreflexion in diesem Album“, sagt Billie Eilish über ihr am Freitag erscheinendes Werk „Happier Than Ever“. „Es ist aber nicht nur Selbstreflexion, sondern auch Reflexion über Dinge, die ich erlebt oder beobachtet habe.“
16 Songs liefert die 19-Jährige, die 2019 mit ihrem Debüt „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ zum berühmtesten und gefragtesten Pop-Star der Welt wurde, mit diesem zweiten Album. Wie schon beim Debüt hat Eilish Musik und Texte zusammen mit ihrem Bruder Finneas geschrieben und aufgenommen. Nach dem phänomenalen Erfolg allerdings nicht mehr in seinem winzigen Zimmer im Elternhaus der beiden, sondern im Heimstudio in seiner neuen Villa in Los Angeles.
Geblieben ist aber der musikalische Variantenreichtum, der Einflüsse aus vielen Genres zulässt. „Ich wollte eine zeitlose Platte schaffen“, sagt Eilish. „Viel Inspiration kam aber von älteren Künstlern, die ich liebe, zum Beispiel Julie London, Frank Sinatra und Peggy Lee.“
Auch bei den Inhalten des zweiten Albums bleibt Eilish bei dem, was sie vor drei Jahren als Ausnahmekünstlerin gekennzeichnet hat: Sie nimmt sich kein Blatt vor den Mund, singt ungeschönt über alles, was sie bewegt: Männer, die Frauen ausnützen („Your Power“), den Kampf um ein halbwegs normales Privatleben („NDA“) oder das Erwachsenwerden („Getting Older“).
Die Selbstreflexion kam mit der Pandemie. Drei Konzerte ihrer ersten großen Hallen-Tournee als Headliner konnte Eilish absolvieren, bevor das Virus sie stoppte. Aus den vermuteten zwei Wochen Tour-Pause wurde eine Absage der kompletten Tour und ein ungeplant freies Jahr.
Das ermöglichte Finneas, 23, und seiner kleinen Schwester, ohne Druck und Abgabetermine an „Happier Than Ever“ zu arbeiten. Und der Titel illustriert, was das mit den beiden machte.
„Dieses Album aufzunehmen, war viel angenehmer und befriedigender“, sagt Eilish. „Früher habe ich mich immer unter Druck gefühlt, hatte Angst, nicht genug zu arbeiten, nicht gut genug oder talentiert genug zu sein. Aber jetzt fühle ich mich als Privatperson, als Künstlerin, in meinem Handwerk und in meinem Denken so viel sicherer als beim ersten Album. Deshalb ist es meiner Meinung nach viel besser.“
Im Studio in Finneas’ Haus lernte Eilish, ihre eigene Tontechnikerin zu sein. In den Pausen schwammen die beiden im Pool, gingen Radfahren oder mit den Hunden spazieren.
Und Eilish, die auf dem Debüt auch über ihre Depressionen gesungen hatte, nahm sich Zeit für eine wöchentliche Therapie-Sitzung.
„Das ist großartig“, erzählte sie in einem Interview mit Zane Lowe von Apple Music. „Denn für mich hat das den Weg des kreativen Prozesses gesäubert. Es hat dazu geführt, dass ich nicht einfach Worte ausschütte und alles aus dem Kopf kommt, sondern die Emotionen in die Songs fließen. Oft denke ich am Anfang einer Therapie-Session, ich weiß gar nicht, was ich heute sagen soll. Und dann sprudelt es doch aus mir raus. Da kommen Dinge auf, die ich nie verarbeitet habe, Dinge von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie verarbeiten muss. Danach denke ich über all das nach, was in der Therapie besprochen wurde, und finde interessante Aspekte, über die ich dann Songs schreibe.“
Jetzt wünscht sich Eilish, dass Fans die Emotionen, die sie vermitteln will, aufnehmen können, sich dadurch bestätigt fühlen und vielleicht auch glücklicher werden. Die genauen Gedanken, die sie selbst beim Schreiben jedes Songs hatte, behält sie aber lieber für sich: „Ich möchte, dass sich jeder zu 100 % sicher ist, dass seine Interpretation die richtige ist.“